Bereits am 5. Februar 2022 wurde auf der linksextremistischen Internetplattform „de.indymedia.org“ sowie auf weiteren von Linksextremisten genutzten Online-Kanälen die Gründung der „Antifa-Süd“ bekannt gegeben. Dabei handelt es sich um einen Zusammenschluss von acht bereits im linksextremistischen Spektrum etablierten lokalen Gruppierungen, die das Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg dem linksextremistischen Handlungsfeld „Antifaschismus“ zurechnet. Sechs von ihnen sind antifaschistische Gruppierungen aus Baden-Württemberg, zum Beispiel die „Antifaschistische Aktion Karlsruhe“ (AAKa), die „Antifaschistische Aktion Mannheim“ (AAM) sowie die „Antifaschistische Aktion Stuttgart“ (AAS). Nach eigenen Angaben will der Zusammenschluss „Rechte und Faschist:innen handlungsunfähig machen […] und möglichst gute Bedingungen für revolutionäre Kämpfe zur Überwindung des Systems schaffen“. Dafür müsse sich der Zusammenschluss „an unmittelbaren Notwendigkeiten orientieren – nicht an pazifistischen Idealen oder bürgerlichen Gesetzbüchern“. Ziel sei es, „nicht zu zahnlosen Tigern zu werden“, sondern langfristig eine bundesweite Bewegung zu begründen, die „effektiv ist, weil sie mit einer geballten Faust zuschlägt“. Mit Verweis auf den eigenen Schutz hält der Zusammenschluss darüber hinaus fest:
„Wir organisieren uns nicht offen und versuchen unsere Strukturen so gut wie möglich vor staatlicher Repression und faschistischer Gewalt zu schützen“.
Über den Auftritt auf der eigenen Internetseite hinaus beteiligt sich die „Antifa-Süd“ auch maßgeblich an der seit Mitte Juni 2022 neu aufgesetzten Internetplattform „www.antifa-info.net“. Diese moderierte Onlineplattform will einen breiten „Austausch über antifaschistische Praxis und inhaltliche Standpunkte“ fördern und einen „Beitrag zum Aufbau einer unabhängigen, linken Gegenöffentlichkeit […] unabhängig von bürgerlichen Medien“[1] leisten. Zur Stärkung des Vernetzungsgedankens finden sich dort unter anderem Berichte verschiedener linksextremistischer Gruppen zu durchgeführten Aktionen ebenso wie Mobilisierungsaufrufe, eine Terminvorschau und „praktische Tipps“ zur Durchführung von Aktionen.
Im Zuge des ursprünglich für Anfang Juli 2022 in Stuttgart-Bad Cannstatt geplanten Landesparteitages der „Alternative für Deutschland“ (AfD) trat der neue Zusammenschluss erstmals mit der Beteiligung an einem Protestaufruf unter der Bezeichnung „Antifaschistische Aktion Süd“ öffentlich in Erscheinung.“[2]. Dieser wurde online verbreitet und durch das Anbringen entsprechender Plakate, insbesondere im Stadtbezirk Bad Cannstatt, öffentlichkeitswirksam unterstützt. Mit der Absicht, die Veranstaltung der AfD zu verhindern, lautete die Forderung: „Alle auf die Straße!“ und „Cannstatt Nazifrei!“ Das Ziel sei, entschieden […] die AfD, ihr [sic!] Strukturen und ihre Repräsentant:innen [zu] bekämpfen“. Den Aufruf unterzeichneten mehrere Gruppierungen des linksextremistischen Spektrums, darunter das „Offene Antifaschistische Treffen Freiburg“ (OATFR) und die „Revolutionäre Aktion Stuttgart“ (RAS). Bei der konkreten Mobilisierung und Durchführung einer entsprechenden Demonstration am 2. Juli 2022 in Stuttgart-Bad Cannstatt trat die „Antifa-Süd“ indes nicht mehr namentlich in Erscheinung.
[1] https://antifa-info.net/about/
[2] https://antifa-sued.org/kein-afd-parteitag-in-stuttgart-bad-cannstatt/
Hintergrund
Die Idee einer organisierten Zusammenarbeit unterschiedlicher antifaschistischer Kräfte entwickelte sich bereits in der Weimarer Republik. Initiiert von der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) entstand daraus im Jahr 1932 die Gründung der „Antifaschistischen Aktion“. In ihrer Gründungserklärung nimmt die „Antifa-Süd“ auf diesen historischen Vorläufer Bezug. Ebenso bezieht sie sich auf die autonome antifaschistische Bewegung (autonome Antifa), die sich in den 1980er Jahren bildete und sich von den bis dato existierenden antifaschistischen Akteuren insbesondere dadurch unterschied, dass sie eine prinzipielle Gewaltbereitschaft und militantes Vorgehen zeigte. Außerdem seien auch „die Organisierungserfahrungen der 1990er und 2000er Jahre Bezugspunkte“ für den neuen Zusammenschluss. In dieser Zeit entwickelte sich innerhalb der antifaschistischen Bewegung eine Diskussion über die Notwendigkeit eines gemeinsamen, abgestimmten Agierens, wobei die Frage nach dem Organisationsgrad im Zentrum der Diskussionen stand. Während stark autonom geprägte Gruppierungen verbindliche Absprachen und den Aufbau fester Organisationsstrukturen ablehnten, öffneten sich andere für den Gedanken einer kontinuierlichen, organisierten Zusammenarbeit. Im Zuge dessen gründete sich im Jahr 1992 erneut eine „Antifaschistische Aktion“ (AA), die aufgrund der Vernetzungsabsichten als offizielle Bezeichnung den Zusatz „Bundesweite Organisation“ (BO) in ihren Namen mitaufnahm (AA/BO). Aufgrund interner Konflikte über Vorgehensweisen und Ausrichtung des Zusammenschlusses wurde dieser im Jahr 2001 jedoch wieder aufgelöst; eine Beteiligung aus Baden-Württemberg hatte nur kurze Zeit bestanden. In den 2000er Jahren kam es schließlich zu einer zunehmenden Spaltung der autonomen Antifa, die sich in der Betonung unterschiedlicher Schwerpunkte zeigte.
Die neugegründete „Antifa-Süd“ möchte nach eigenem Bekunden erneut den Versuch einer Zusammenführung unterschiedlicher Antifa-Gruppierungen unternehmen und so „der Zersplitterung entgegen“ wirken. Dabei wolle man „besser machen, was damals nicht klappte“, um „gesellschaftlich wirkmächtig“ zu werden.
Bewertung
Die Gründungserklärung der „Antifa-Süd“ erfolgte unter dem Motto „Ein Schritt weiter“, womit auf diverse, in der Vergangenheit immer wieder unternommene Versuche verschiedener Antifa-Gruppen angespielt werden könnte, nachhaltig organisierte, überregionale Strukturen aufzubauen. Dabei lag der Fokus dieser Bemühungen stets auf einer Intensivierung beziehungsweise Verstetigung der Zusammenarbeit, die eine anlassbezogene Kampagnenarbeit überschreiten sollte. Inwieweit es diesem Zusammenschluss langfristig gelingt, tatsächlich erfolgreich weitere Schritte hin zu einer letztlich auch bundesweit organisierten Antifaschistischen Aktion zu gehen, bleibt abzuwarten. Zumindest für Süddeutschland lässt sich jedoch festhalten, dass mit der neugegründeten „Antifa-Süd“ linksextremistische Strukturen etabliert wurden, die eine überregionale Vernetzung verfestigen könnten. Ferner birgt ein gemeinsamer Handlungskonsens das Potential, linksextremistische Szeneaktivitäten in Süddeutschland, insbesondere in Baden-Württemberg, zu befördern und zu prägen. Der im Vorfeld gegen den AfD-Landesparteitag am 16./17. Juli 2022 platzierte Protestaufruf könnte als ein erstes Indiz darauf hindeuten. Aufgrund der in der Gründungerklärung getroffenen Aussagen lassen sich auch vermehrt gewalttätige Übergriffe gegen vermeintliche oder tatsächliche Rechtsextremisten nicht ausschließen.