„Stolzmonat“, so haben rechtskonservative und rechtsextremistische Akteure Anfang Juni 2023 eine Aktion betitelt, mit der sie Stimmung gegen einen in ihren Augen zu diversen Genderbegriff machen. Vor allem auf Twitter drücken sie unter dem Hashtag #Stolzmonat ihren Stolz auf Deutschland aus und wenden sich gleichzeitig gegen die LGBTQIA+-Bewegung, die im Juni weltweit den „Pride Month“ feiert. Diese Bewegung tritt für die Rechte von lesbischen, schwulen, bi- und transsexuellen, queeren sowie inter- und asexuellen Menschen ein; das Pluszeichen symbolisiert als Platzhalter weitere Geschlechtsidentitäten.
„Stolzmonat“: Schwarz-Rot-Gold statt Regenbogenfarben
Während die LGBTQIA+-Bewegung für den „Pride Month“ auf die Farben des Regenbogens zurückgreift, die die Freiheit und Vielfalt der sexuellen und geschlechtlichen Identitäten darstellen sollen, setzt die Kampagne „Stolzmonat“ auf die Farben der Deutschlandflagge als Ausdruck des eigenen Nationalstolzes. So haben zahlreiche rechtskonservative bis -extremistische Akteure ihre Profilbilder bei Twitter, Facebook, Instagram und Telegram mit den Nationalfarben Schwarz-Rot-Gold umrahmt. Analog zu den sieben Farben der Regenbogenfahne der LGBTQIA+-Bewegung wurden die drei Farben der Nationalflagge in sieben Abstufungen aufgeteilt.
Auch die „Identitäre Bewegung“ (IB) in Baden-Württemberg ist unter
dem Label „Stolzmonat“ aktiv. Die Profilbilder mehrerer, der IB zuzurechnender Online-Profile sind mit den deutschen
Nationalfarben umrahmt. So präsentieren sich beispielsweise das Twitter-Profil „@Wackre_Schwaben“ und das Instagram-Profil
„pforzheim_revolte“, hinter denen die IB-Gruppe „Wackre Schwaben“ beziehungsweise der IB-Ableger „Pforzheim
Revolte“ stehen.
Twitter-Profilbild der IB-Gruppe „@Wackre_Schwaben“ im „Stolzmonat“. (Foto:
@Wackre_Schwaben/Twitter)
„Pforzheim Revolte“: Kampfsport-Video mit IB-Botschaften
Die „Pforzheim Revolte“ veröffentlichte zudem am 8. Juni 2023 in den sozialen Medien ein Video, das gegen die LGBTQIA+-Bewegung Stimmung macht. In dem Video sind zunächst Szenen vom Christopher Street Day (CSD) zu sehen. Anschließend werden zwei Aktivisten der „Pforzheim Revolte“ gezeigt, wie sie am Rande einer Grünfläche Kampfsport trainieren – dabei tragen sie Sturmhauben in Schwarz-Rot-Gold.
Die Szenen sollen einerseits die Stärke und den Kampfgeist der Gruppierung gegenüber Personen darstellen, die linksorientiert sind oder der LGBTQIA+-Bewegung nahestehen. Denn in dem Video werden ein Flyer mit der Aufschrift „Gegen Links“ sowie ein Aufkleber mit dem Aufdruck „FCK LGBTQ“ eingeblendet; FCK steht dabei verkürzt für das Schimpfwort „Fuck“. Andererseits sollen die Kampfsportsequenzen die Botschaft vermitteln, dass man sich selbst mit etwas Sinnvollem befasse, nämlich der Steigerung der „Volksgesundheit“ und der „Wehrhaftigkeit“ durch Kampfsport. Als Gegensatz dazu wird die LGBTQIA+-Bewegung dargestellt und so vermittelt, dass sie lediglich beim CSD mitlaufe. Indirekt wird auf diese Weise suggeriert, dass LGBTQIA+-Personen den „Volkskörper“ schwächten und die eigene Überlegenheit betont, ein in der rechtsextremistischen Szene gerne genutztes Gegensatz-Narrativ.
Am Ende des mit martialischer Musik unterlegten Videos sind fünf Akteure der „Pforzheim Revolte“ zu sehen, die ihr Gesicht mit Schlauchschals halb verhüllt haben. Sie entfalten auf einer Brücke ein Banner mit der Aufschrift „Wir akzeptieren eure LGBTQ Propaganda nicht“ und zünden Rauchbomben. Das Video schließt mit drei Textbotschaften der IB: „Traditionelle Familien schützen. Gegen die Frühsexualisierung. Genderideologien raus aus den Schulen“.
„Wackre Schwaben“: Nationalstolz im Mittelpunkt
Während sich die „Pforzheim Revolte“ mit ihrem Video klar gegen die LGBTQIA+-Community positioniert, rücken die „Wackren Schwaben“ mit ihrer Aktion zum „Stolzmonat“ den Nationalstolz in den Mittelpunkt: Am 10. Juni 2023 postete der IB-Ableger auf Instagram ein Bild, das den Aussichtsturm Burgholzhof in Stuttgart-Bad Cannstatt zeigt. Von der Besucherplattform weht auf der Aufnahme eine deutsche Nationalflagge.
Die Aktion verband die IB mit einer Challenge, also mit einem Aufruf, sich der Aktion anzuschließen: „Wir haben mit einer großen Deutschlandfahne in Stuttgart vorgelegt. Jetzt nachziehen und den #Stolzmonat ins echte Leben bringen!“ Sie forderte drei andere Akteure auf, die Deutschlandflagge zu hissen. Dazu hätten diese „72 Stunden Zeit: entweder Beweisfoto oder Spende an eine patriotische Orga eurer Wahl!“.
Unter anderem markierten die „Wackren Schwaben“ auf Instagram einen Politiker des bayerischen Landesverbands der „Jungen Alternative für Deutschland“ (JA Bayern), der Jugendorganisation der Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD); die JA Bayern wird vom Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz beobachtet. Der Politiker beteiligte sich umgehend und lud ein Foto einer gehissten Bundesflagge bei Twitter hoch. Dazu schrieb er: „Ich habe eine weitere Deutschlandfahne vor meinem Haus angebracht. Zusätzlich spende ich den Patrioten von @ein_prozent 100 €“. „Ein Prozent“ ist ein rechtsextremistischer Verein, der, laut dem Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV), als „Dienstleister im vorpolitischen Raum“ wirkt; er realisiert Kampagnen, beispielsweise gegen Einwanderung, und gibt an Spenden zu sammeln, um etwa „Patrioten“ nach Attacken durch „Antifaschisten“ oder „Asylanten“ zu unterstützen. Der Leiter von „Ein Prozent“ bedankte sich „ganz herzlich“ per Tweet bei dem bayerischen JA-Politiker, der wiederum drei weitere Personen einlud, sich an der Challenge zu beteiligen.
Zu den zahlreichen Teilnehmenden an der „Stolzmonat“-Challenge der „Wackren Schwaben“ gehörte auch Götz KUBITSCHEK, Eigentümer des „Verlags Antaios“ und Mitgründer sowie prominentester Repräsentant des „Instituts für Staatspolitik“ (IfS) in Schnellroda in Sachsen-Anhalt. Dieser Verlag wird vom BfV als rechtsextremistischer Verdachtsfall, das IfS als gesichert rechtsextremistische Bestrebung bearbeitet. Mit seiner Ehefrau hielt KUBITSCHEK Ende Juni 2023 eine übergroße Deutschlandflagge aus dem Fenster des Verlagssitzes in Schnellroda, postete ein Foto davon bei Twitter und nominierte drei, von ihm als „Freunde“ Bezeichnete für die Challenge.
Fazit zum „Stolzmonat“
Die Kampagne „Stolzmonat“ lässt sich in das LGBTQIA+-feindliche Agieren rechtskonservativer sowie -extremistischer Akteure einordnen, die die aktuelle Genderdebatte für das Verbreiten eigener Inhalte nutzen. Sie stellt einen Gegenentwurf zum „Pride Month“ der LGBTQIA+-Bewegung dar und soll den eigenen Nationalstolz sowie das traditionelle Familienbild ausdrücken. Die „Identitäre Bewegung“ in Baden-Württemberg hat den „Stolzmonat“ sowohl online in den Sozialen Medien als auch mit einer Flaggen-Aktion in der Realwelt aufgegriffen. Das hat bundes- wie europaweit unter rechtskonservativen und -extremistischen Akteuren Anklang gefunden, was nicht zuletzt die vielen Likes und positiven Kommentare auf Instagram und Co. sowie Nachfolgeaktionen zeigen.