Ein konstituierendes Element der salafistischen Ideologie ist das essentialistische Rollenbild: Salafisten gehen davon aus, dass
männliche und weibliche Geschlechtsidentitäten voneinander abgrenzbare, einheitliche und in sich geschlossene Gebilde sind.
Daraus resultiert die Vorstellung einer vermeintlichen Prädestination von Männern und Frauen für bestimmte Tätigkeiten.
Frauen werden als besonders geeignet für Aufgaben angesehen, die innerhalb der häuslichen Sphäre angesiedelt sind: die Sorge
für Ehemann und Haushalt sowie die Kindererziehung. In der Praxis haben sich die Grenzen dieses Ideals in den letzten Jahren jedoch
immer weiter verschoben. Inzwischen beanspruchen salafistische Frauen eine Vielfalt an Tätigkeitsfeldern, die im klassischen
Rollenbild nicht für sie vorgesehen sind.
Erziehungsratgeber: Erweiterung der primären Aufgabe auf Kinder außerhalb des Nahbereichs
Manche Frauen erweitern die für sie vorgesehene Aufgabe der Kindererziehung auf Personen außerhalb ihres Nahbereichs. In der Vergangenheit sind daraus auch schon verschiedene Bücher entstanden, die sich unter der Kategorie Erziehungsratgeber subsumieren lassen: Frauen leiten darin andere Eltern zu einer vermeintlich islamkonformen Erziehung an. Für ein derartiges Engagement bestehen jedoch hohe Hürden: Das Buch muss geschrieben und ein Verlag gefunden werden.
In den letzten Jahren haben sich mit Telegram-Projekten parallel Formate entwickelt, die ebenso unter dem Begriff Erziehungsratgeber firmieren, zu denen der Zugang aber niedrigschwelliger ist. Eines dieser Projekte nennt sich zum Beispiel „Ummah Kids“. Dieser Kanal hat etwa 100 Mitglieder und wird höchstwahrscheinlich von einer einzelnen Frau betrieben. Der Adressatenkreis ist eindeutig weiblich, das zeigen auch Botschaften wie „Eine Mutter ist die erste und die wichtigste Schule des Kindes“. Mit solchen Aussagen erfährt die Bedeutung der Erziehung und die Arbeit der Mutter in der Familie eine Aufwertung; sie wird gar als zentral für das Bestehen der islamischen Gemeinschaft angesehen.
Dass die Betreiberin einem problematischen Weltbild zur Verbreitung verhelfen möchte, zeigt sich bereits an der Wahl des Profilbildes: Es zeigt eine Familie mit Mutter, Vater und sechs Kindern, wobei selbst die Töchter einen Niqab tragen. Viel Raum nehmen darüber hinaus Aussagen ein, die in der Tradition der salafistischen Doktrin von „Loyalität und Lossagung“ (al-wala wa-l-bara) stehen und ein dualistisches Weltbild repräsentieren. So betont die Betreiberin, dass sie und ihre Leserinnen im „Dar al-Kufr“ (Haus des Krieges) leben würden, also in einem Land, das nicht von Muslimen beherrscht wird. Sie warnt vor nicht näher definierten Feinden: Diese hätten erkannt, wie wichtig Kinder und Frauen für die muslimische Gemeinschaft seien und würden daran arbeiten, sowohl die Kinder als auch die Frauen vom vermeintlich rechten Weg abzubringen: „Lasst nicht zu, dass Feinde des Islams eure Kinder indoktriniert!“ Die Betreiberin ruft ihre Leserinnen in diesem Zusammenhang dazu auf, den Kindern jeden Tag islamisches Wissen zu vermitteln, „(…) denn sie lernen viele schlechte Dinge durch Schulen, Kindergärten etc.“ Einige Beiträge deuten zudem auf eine Affinität zum Jihadismus hin. So hat die Betreiberin ein Foto eines Jungen in einem schwarzen Keikogi veröffentlicht und bewirbt den Kampfsport für Jungs („kleine Löwen“) mit den Worten: „Ernste und schwere Situationen in Europa werden auf uns Muslime zukommen.“ In einem anderen Beitrag ist das Bild von Jungen in Flecktarn-Uniform zu sehen, die mit Waffen auf dem Schoß im Kreis sitzen und im Koran lesen.
An anderen Projekten in diesem Bereich ist ein Netzwerk von Frauen beteiligt. So hat etwa die Telegram-Gruppe „Atfaal
al-Umma“ (Kinder der islamischen Gemeinschaft) eine Art Stellenausschreibung veröffentlicht, um weitere Mitstreiterinnen zu
rekrutieren. Geworben wird dabei auch mit dem Nutzen, der sich aus einer Mitwirkung für die islamische Gemeinschaft ergibt:
„Ihr solltet wissen, dass umso mehr Akhawat [Schwestern] sich melden und mit im Team langfristig sind, desto mehr
wächst die Kinderdawah [gemeint: Missionierung der Kinder] und wir können gemeinsam mehr erreichen.“ Zudem
wird Interessierten eine gewisse Erwartungshaltung an ihre Mitarbeit gespiegelt: Es sollen sich nur diejenigen melden, die davon
überzeugt sind, langfristig und zuverlässig an dem Projekt mitwirken zu können. Aus der Darlegung des Aufgabenspektrums
lassen sich zudem einige geforderte Schlüsselqualifikationen ableiten: Die Frauen sollen in der Lage sein, mit den religiösen
Quellen wie Koran und Sunna zu arbeiten und Belege daraus für einzelne Themen herauszusuchen. Zudem wird ein gewisses Maß an
technischem Know-how vorausgesetzt, das vom Erstellen eines PDF-Dokument bis hin zur Produktion kleiner Videos reicht.
Islamische Bildung für Erwachsene: Mitmischen im Kampf um die Deutungshoheit
Ein weiteres Tätigkeitsfeld ist die religiöse Erwachsenenbildung. Zu diesem Bereich gehört seit Jahren „Noorul Huda
Media“, ein Zusammenschluss von Frauen, die salafistische Medienprodukte aus der Originalsprache ins Deutsche übersetzen und in
der Szene verbreiten. „Noorul Huda Media“ verfügt über verschiedene Online-Auftritte, darunter ist ein Telegram-Kanal
mit über 1.000 Abonnenten. Bei den Produkten handelt es sich um Videos, Audionachrichten und Bücher, die zuerst auf Englisch,
Türkisch oder Bosnisch erschienen sind. Dabei wird deutlich, dass die Frauen sich auf Originalmaterial von Anwar al-Awlaki, Ebu
Hanzala und Ahmad Musa JIBRIL konzentrieren. Daran lässt sich eine eindeutige Nähe zum jihadistischen Spektrum
feststellen.
Auch „Noorul Huda Media“ stellt gewisse Ansprüche an zukünftige Mitstreiterinnen: Interessierte müssen einen
Grammatiktest bestehen. Zudem haben sich die Frauen dieses Netzwerks in apologetischer Manier mit der Tätigkeit für „Noorul
Huda Media“ beschäftigt. Sie betonen, dass die Arbeiten wie das Übersetzen, die Pflege von Internetauftritten oder die
Verwaltung der Finanzmittel besonders für Frauen geeignet seien: Diese Aufgaben könnten von zu Hause aus erledigt werden, die von
Salafisten geforderte Geschlechtertrennung werde also eingehalten. In diesem Zusammenhang kritisieren sie sogar, dass solche Projekte
bislang mehrheitlich von Männern betrieben werden. Implizit schwingt hier der Wunsch nach einer größeren weiblichen
Repräsentation in der „Da’wa“ (Missionierung) mit.
Daneben gibt es Frauen, die ihre Weltanschauung in Vorträgen verbreiten. Zu diesen Frauen gehört Maida HAMZIC. Sie wirbt damit, in Saudi-Arabien studiert zu haben, laut eigenen Angaben an der Princess Nora bint Abdul Rahman University (PNU) in Riad. Für Männer ist das Studium an der Islamischen Universität in Medina ein allseits bekanntes Aushängeschild. Frauen haben keinen Zutritt zu dieser Bildungseinrichtung, können aber – wie das Beispiel HAMZIC zeigt – auf andere Universitäten im Land ausweichen, die entweder beiden Geschlechtern offenstehen oder sich ausschließlich an Frauen richten. Es ist davon auszugehen, dass HAMZIC an der PNU das gleiche Islamverständnis vermittelt bekommen hat wie die Männer in Medina. Ebenso wie die Absolventen des wahhabitischen Missionierungszentrums, was die Islamische Universität in Medina de facto ist, wurde HAMZIC höchstwahrscheinlich dazu beauftragt, das in Saudi-Arabien Gelernte in ihrem Heimatland zu verbreiten. HAMZIC ist sehr aktiv in den sozialen Medien, betreibt dort eigene Profile und ist Teil eines Netzwerks, das ein islamisches Bildungsprogramm von Frauen für Frauen aufgelegt hat. HAMZIC lehrt im Bereich tafsir (Koranexegese) und widmet sich immer wieder einzelnen Fragestellungen oder Themen wie der islamischen Ehe. Von „Noorul Huda Media“ unterscheidet sie sich vor allem darin, dass sie offen auftritt und sich als Einzelperson mit Namen präsentiert.
Einige Frauen gehen mit ihrer Selbstdarstellung sogar noch weiter: Eine Frau, die sich im Internet „Salafiya Tauhid“[1] nennt, betreibt
einen YouTube-Kanal, auf dem sie eigene Vorträge hochlädt. Thematisch deckt sie eine Bandbreite ab, die von der
Beschäftigung mit Zauberei bis zur Frage nach einer „islamkonformen“ Kindererziehung reicht. Das Besondere daran ist, dass
„Salafiya Tauhid“ in ihren Videos zu sehen und zu hören ist. Sie trägt zwar Niqab und ihre Stimme ist per Computer
verfremdet, nichtsdestotrotz entspricht ein derartiges Vordringen in den öffentlichen Raum nicht den klassischen salafistischen
Rollenvorstellungen. Das zeigt sich auch daran, dass „Salafiya Tauhid“ eine Ausnahme ist: Kaum eine Salafistin würde sich
derart zur Schau stellen.
„Salafiya Tauhid“ hat den Kanal bereits 2009 eingerichtet, ihre Videos wurden seitdem 120.000 Mal aufgerufen. Seit drei Jahren
ist allerdings kein neues Video hinzugekommen. Unklar ist, was zum Ende dieses Projekts geführt hat. Es ist aber davon auszugehen,
dass sie innerhalb der salafistischen Szene wegen ihrer Aktivitäten angegriffen wurde.
Finanzmittelgenerierung: die Verbindung von Beruf und „Da’wa“
Ein weiteres Handlungsfeld von Salafistinnen ist die Finanzmittelgenerierung. Vielfach ist zu beobachten, dass Beruf und „Da’wa“ dabei verbunden werden. Das können zum Beispiel Hebammen sein, die sich explizit an salafistische „Schwestern“ wenden und Geburtsvorbereitungskurse anbieten. Sie werben damit, dass die Krankenkassen für die Kosten der Kurse aufkommen. Dies ist ein Hinweis darauf, dass es sich um ausgebildete und anerkannte Hebammen handelt: Denn um die Dienstleistungen mit den gesetzlichen Krankenkassen abrechnen zu können, bedarf es in der Regel einer Mitgliedschaft in einem entsprechenden Berufsverband.
Andere Frauen schaffen sich neue berufliche Existenzen im Bereich des Handels. Auf Telegram finden sich verschiedene Kanäle, deren Betreiber verschiedene Produkte verkaufen. Dazu zählt zum Beispiel der Kanal „Islamische Kinderbücher“. Dieser Kanal wird wahrscheinlich von einem Ehepaar betrieben; interessierte Frauen können ihre Bestellungen bei der „Schwester“ abgeben, Männer können sich an den „Bruder“ wenden. Die Preise machen deutlich, dass es den Anbietern nicht um ein Wohltätigkeitsprojekt geht, sondern sie mit dem Verkauf tatsächlich auf Gewinn setzen. So kosten die Bücher bis zu 20 Euro. Ein Holzpuzzle mit 15 Teilen ist für 16 Euro zu kaufen, ein Memoryspiel mit den Buchstaben des arabischen Alphabets für 20 Euro.
Ähnliches ist bei „Mini Muwahidin“ (Kleine Bekenner des tauhid) festzustellen. Auch dieser Telegram-Kanal, der
über 500 Abonnenten hat, wird wahrscheinlich von einem Paar betrieben. Damit können die Vorgaben zur Geschlechtersegregation im
Bestellvorgang eingehalten werden. Auch die auf „Mini Muwahidin“ verkauften Produkte sind im mittleren Preissegment
angesiedelt. Im Sortiment finden sich vor allem Kleidungsstücke, Puppen und Spielzeug, die den salafistischen Rollenvorstellungen
entsprechen. Hemden für Jungen kosten je nach Größe und Alter zwischen 18 (1–3 Jahre) und 29 Euro (11–12 Jahre).
Die Preise für khimar (Kopf- und Körperbedeckung für Mädchen) liegen zwischen 27 (2–3 Jahre) und 36 Euro
(9–12 Jahre). Unklar bleibt, woher das Paar seine Produkte bezieht.
Ideologieverbreitung unter dem Deckmantel der Wohltätigkeitsarbeit
Viele Frauenzusammenschlüsse widmen sich – unabhängig ihrer primären Zielsetzung – punktuell auch Wohltätigkeitsprojekten. Dabei kann es sich um die Unterstützung von kranken Einzelpersonen handeln, verbreitet ist aber auch die Lieferung von Care-Paketen zu islamischen Feiertagen in Konfliktregionen, etwa in den Gazastreifen oder nach Syrien. Es gibt zudem Gruppen, die sich ausschließlich der Wohltätigkeitsarbeit verschrieben haben.
Eine dieser Frauengruppen, die bundesweit aktiv ist, nennt sich „Hand-in-Hand-Hijab-Projekt“. Die Gruppe betreibt Konten auf
verschiedenen Social-Media-Plattformen. Nach eigenen Angaben ist sie in 30 Städten in Deutschland aktiv. Regelmäßig machen
die Mitglieder darauf aufmerksam, dass sie für eine bestimmte Stadt eine Mitstreiterin suchen, die diesen Standort betreut. Das
Projekt konzentriert sich auf die Unterstützung von Frauen aus dem salafistischen Spektrum mit Kleider- und Bücherspenden. Bei
den Kleidungsstücken handelt es sich in der Regel um lange Mäntel, Hijab und Niqab. Im Internet verbreitet die Gruppe
entsprechende Gesuche von bedürftigen Frauen mit Angaben zu Kleidergröße und Wohnort. Sobald eine passende Spende
eingetroffen ist, informiert das „Hand-in-Hand-Hijab-Projekt“ über den Erfolg. Für die Bereitstellung von
Szeneliteratur rufen die Mitglieder regelmäßig zu Geldspenden auf, mit denen sie die Bücher selbst kaufen wollen. Diese
Bücher – darunter auch Werke, die von der Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz (BzKJ) indiziert wurden –
legen sie wiederum Paketen mit Kleiderspenden bei. Der Name „Hand-in-Hand-Hijab“ soll Zusammenhalt und Fürsorge
signalisieren. Passend dazu fordert das Projekt die Leserinnen seiner Beiträge dazu auf, sensibel für bedürftige Frauen zu
sein und Hilfe anzubieten.
Gefangenenhilfe: Der fließende Übergang ins jihadistische Spektrum
Daneben gibt es Salafistinnen, die sich mit ihren Aktivitäten in einer Übergangszone zwischen politischem und jihadistischem Spektrum bewegen: Sie unterstützen inhaftierte Frauen. Ein entsprechender Zusammenschluss nennt sich „Vergessene Schwestern“ und war bis vor einem Jahr auf Telegram aktiv (über 150 Abonnenten). Die Gruppe setzt sich für angeblich vom syrischen Staat inhaftierte Frauen ein.
In der Formulierung, die Frauen aus den „taghut-Gefängnissen“ freizukaufen, zeigt sich deutlich die salafistische Weltanschauung: Das Assad-Regime wird als „taghut“ (Götzendiener) gebrandmarkt. Das Projekt macht auf Einzelschicksale aufmerksam; Frauen, die angeblich inhaftiert waren, erhalten einen Raum, um ihre Geschichten zu erzählen. Darüber hinaus sind Listen mit Namen, Geburtsjahr und dem Tag der Festnahme von den Frauen zu finden, für die sich das Projekt angeblich einsetzt. Die Listen sollen als Transparenznachweis dienen, sind aus der Ferne jedoch kaum verifizierbar. In einigen Beträgen werden zudem die Preise thematisiert, die das Assad-Regime angeblich für die Freilassung einzelner inhaftierter Frauen verlangt: In der Regel würde der Freikauf einer Frau zwischen 2.000 und 7.000 US-Dollar kosten. Für Frauen, die mit einem muhajir (gemeint ist hier ein nach Syrien eingereister Jihadist) verheiratet sind, müssten bisweilen jedoch 30.000 Dollar gezahlt werden.
Unklar bleibt jedoch, ob die Gruppe selbst am angeblichen Freikauf der Frauen beteiligt ist oder ob sie das Geld lediglich nach Syrien weiterleitet. Laut eigenen Angaben ist „Vergessene Schwestern“ selbst nicht Teil einer bestimmten Organisation. Zwischen den Zeilen ist also zu lesen, dass sie sich für Frauen einsetzen, die zu den unterschiedlichsten jihadistischen Gruppierungen gehörten oder gehören.
Neben dem Ziel, auf das Schicksal der inhaftierten Frauen aufmerksam zu machen, dient der Telegram-Kanal auch direkt dazu, Spenden einzuwerben. Dabei stellen die Macherinnen auch einen Zusammenhang zwischen dem Tag der Auferstehung und dem Spenden von Geld her: Der Verweis auf die endzeitlichen Vorstellungen im Allgemeinen und die Strafe Gottes im Speziellen soll den Leserinnen Angst machen und sie zum Spenden animieren.
Auf Telegram ist auch die Gruppe „Deine Schwester im Camp“ aktiv. Auch sie macht auf das Schicksal inhaftierter Frauen aufmerksam und will Menschen zum Spenden bewegen. Im Gegensatz zu „Vergessene Schwestern“ kümmert sich „Deine Schwester im Camp“ jedoch um Frauen, die in kurdischen Lagern inhaftiert sind. Zudem dienen die Spenden nicht dem Freikauf der Frauen, sondern deren Versorgung im Camp.
Die salafistische Ausrichtung zeigt sich zum Beispiel an der ausschließlichen Abbildung von Frauen mit Niqab oder aber an der Darstellung des „Tauhid-Fingers“, die als Machtdemonstration dient. Charakteristisch für den Telegram-Auftritt ist zudem eine Dramatisierung der Botschaften. So finden sich Zeichnungen, auf denen Flugzeuge zu sehen sind, die Bomben auf die Frauen und Kinder in den Camps abwerfen. Die Gruppe arbeitet zudem mit Versalien, etwa in diesem Beispiel:
„DIESES SZENARIO SPIELT SICH VOR DEN AUGEN DER GESAMTEN MENSCHHEIT AB UND DIE GANZE WELT SCHWEIGT DIESEN UNMENSCHLICHEN ZUSTAND TOT!“
Auch „Deine Schwester im Camp“ stellt eine Verbindung zwischen der Spende und dem Tag der Auferstehung her:
„Wenn Allah dich fragt, was du mit dem Vermögen, welches Er dir gegeben hat, gemacht hast. Was wirst Du antworten?“
Fazit: Aushandlung neuer Räume unter Einfluss des Internets und der in Deutschland vorherrschenden Rollenbilder
Die salafistische Szene obliegt einem stetigen Wandel. In den vergangenen Jahren betraf dies zum Beispiel die Möglichkeiten für Frauen, sich aktiv an der Missionierungsarbeit zu beteiligen. In der Gesamtschau fällt auf, dass es aktuell sowohl reine Frauenprojekte (von Frauen für Frauen) gibt als auch Zusammenschlüsse, die von Ehepartnern betrieben werden (dies ermöglicht, bei Einhalten der Geschlechtersegregation, das Ansprechen einer größeren Zielgruppe). Viele stehen für eine Erweiterung der primären Pflichten der Frauen auf die Sphäre außerhalb des eigenen Hauses, hierzu zählen die Erziehungsratgeber aber auch die Bildungsangebote. Andere Projekte, die zum Beispiel der Finanzmittelgenerierung dienen, gehen deutlich über die klassische salafistische Rollenzuschreibung hinaus. Punktuell gibt es äußerst emanzipatorische Vorstöße wie der Online-Auftritt von „Salafiya Tauhid“, der mit der expliziten Zurschaustellung von Bild und – wenngleich verfremdeter – Stimme Tabus bricht.
Diese Entwicklung wird maßgeblich von zwei Faktoren begünstigt: Erstens ist hier die Möglichkeit zu nennen, viele Aktivitäten mit der Online-Welt zu verschränken. Zweitens sind die Salafistinnen Einflüssen der deutschen Gesellschaft ausgesetzt – sie leben nicht in einer Blase, sondern handeln ihre Rollenbilder auch vor dem Hintergrund der in Deutschland vorherrschenden Modelle aus.
Erläuterung:
[1] Der Begriff „tauhid“ beschreibt eine extreme Interpretation des Monotheismus, die zum Kern der salafistischen Lehre gehört.