Seit Dezember 2020 fällt die PKK-Jugend im Großraum Stuttgart trotz pandemiebedingter verschärfter Ausgangsbeschränkungen zunehmend mit Aktivitäten auf. Neben angemeldeten Demonstrationen handelt es sich auch um konspirative Aktionen in Kleingruppen, die sie anschließend öffentlich einsehbar im Internet dokumentiert. Eigenen Angaben zufolge leitet die PKK-Jugendorganisation „Bewegung der Revolutionären Jugend“ (TCS) diese Aktionen an.
So wurde am 14. Dezember 2020 auf „de.indymedia.org“ ein Beitrag mit dem Titel „Kommune Cekdar Botan“ veröffentlicht. Bei „Cekdar Botan“ handelt es sich um den Decknamen des 19-jährigen Ruhat T. aus Stuttgart, der 2016 als PKK-Kämpfer bei Angriffen der türkischen Luftwaffe im Nordirak ums Leben kam und vor seiner Ausreise aktiv in die hiesige PKK-Jugendszene eingebunden war. In dem Beitrag wird eine Spontandemonstration am 13. Dezember 2020 in Stuttgart thematisiert, bei der die Teilnehmer der PKK-Jugend Fahnen der Organisation sowie ihres Vorsitzenden Abdullah ÖCALAN mit sich führten und Pyrotechnik zündeten. Anlass soll die Kritik an den Haftbedingungen ÖCALANs in der Türkei gewesen sein. Auf „de.indymedia.org“ war hierzu zu lesen:
„Die Jugendlichen zeigten somit dem faschistischen türkischen Staat und seinen Helfershelfer in der BRD, das sie deren Politik nicht unbeantwortet lassen.“
Zuvor wurde die Stellungnahme bereits im Darknet veröffentlicht.
Am Abend des 15. Dezember 2020 fand eine Kundgebung gegen die irakische Demokratische Partei Kurdistans (DPK) in Stuttgart statt, an der sich die lokale PKK-Jugend beteiligte. Während der Kundgebung zeigten Teilnehmer u. a. eine verbotene PKK-Fahne. Zudem wurde eine Straße kurzzeitig blockiert. Auf der Homepage der PKK-nahen Nachrichtenagentur „Firatnews Agency“ („Ajansa Nuceyan a Firate“, ANF) erschien eine Stellungnahme. Die Verfasser nannten darin einen vermeintlichen Angriff der DPK am 13. Dezember 2020 im Nordirak auf die „Volksverteidigungseinheiten“ („Hezen Parastina Gel“, HPG) – eine bewaffnete Einheit der PKK – als Anlass für die Protestaktion. Daneben nahmen sie auch wieder auf die Haftbedingungen ÖCALANs Bezug.
Ähnliche Aktionen der PKK-Jugendorganisation TCS gab es am 16., 18. und 21. Dezember 2020 auch in Ludwigsburg. Anlass waren, laut Veröffentlichungen u. a. auf „de.indymedia.org“, wiederum die Forderung nach der Freilassung ÖCALANs sowie die Kritik an der DPK. Am 21. Dezember 2020 kam diese auch in einer Erklärung zum Ausdruck, die bei der Kundgebung verlesen wurde:
„Wir akzeptieren die Zusammenarbeit (…) mit der türkischen Regierung nicht. Wir möchten nicht mehr sehen müssen, dass Frauen und Kinder ermordet werden. (…) Lasst das kurdische Volk nicht allein. Lass uns gemeinsam den Faschismus beenden!“
Auf dem Züblin-Parkhaus in Stuttgart-Mitte entrollten Anhänger der PKK-Jugend am 6. Januar ein Transparent mit der Aufschrift „Selbstsein und Selbstverteidigung“. Außerdem und zündeten sie in Anlehnung an das PKK-Logo grün-gelb-rote Rauchtöpfe. Über die Aktion berichteten sowohl die ANF als auch „de.indymedia.org“. Am selben Tag, im Rahmen einer Gedenkaktion für drei PKK-Funktionärinnen, die im Januar 2013 in Paris ermordet wurden, demonstrierte die PKK-Jugend spontan in Stuttgart. Im Bereich der Theodor-Heuss-Straße zündeten Teilnehmer ebenfalls farbige Rauchtöpfe.
Am 9. Januar 2021 beteiligte sich die TCS an einer Demonstration zum „8. Jahrestag der Ermordung von drei Kurdinnen in
Paris“ in Stuttgart. Teilweise vermummte Anhänger der PKK-Jugend zeigten mehrfach eine verbotene PKK-Fahne. Insgesamt nahmen bis
zu 200 Personen an der Demonstration teil. Auf der Homepage der ANF wurde über die Protestaktion berichtet und eine Videodokumentation
veröffentlicht.
Bewertung
Trotz verschärfter Ausgangsbeschränkungen infolge der Corona-Pandemie will die PKK-Jugend in Stuttgart weiterhin öffentlichkeitswirksam in Erscheinung treten. Dabei schreckt sie nicht vor breit angelegten Aktionen zurück. Nach Einschätzung des Landesamts für Verfassungsschutz handelt es sich in Teilen auch um Aktivitäten, die nicht mit den Vorständen der örtlichen PKK-nahen Vereine abgesprochen sind: Diese hatten ihren Mitgliedern deren Vorgaben hinsichtlich einer pandemiebedingten Zurückhaltung gemacht; hierzu stehen die Aktionen im Widerspruch.
Zudem ist festzustellen, dass die PKK-Jugend in Stuttgart sich bei der anlassbezogenen Berichterstattung zunehmend Medien bedient, die bisher vornehmlich von deutschen Linksextremisten genutzt wurden. Die Veröffentlichungen von PKK-Anhängern aus dem Großraum Stuttgart auf „de.indymedia.org“ sprechen für enge Verbindungen zwischen der ausländer- und linksextremistischen Szene auf regionaler Ebene.