Auslandsbezogener Extremismus

Am 30. April 2021 verurteilte das Oberlandesgericht Stuttgart (OLG) fünf Personen wegen der Mitgliedschaft in bzw. Unterstützung der verbotenen „Arbeiterpartei Kurdistans“ („Partiya Karkeren Kurdistan“, PKK) zu teilweise mehrjährigen Freiheitsstrafen (Az. 3 - 2 StE 12/18). Wenige Tage später wurden Haftbefehle gegen zwei weitere PKK-Mitglieder aus Baden-Württemberg vollstreckt. Die staatlichen Maßnahmen belegen den anhaltenden Verfolgungsdruck deutscher Sicherheitsbehörden auf führende Mitglieder der Terrororganisation. 

Der 3. Strafsenat des OLG verurteilte am 30. April 2021 einen ehemaligen PKK-Gebietsleiter und vier weitere Mitglieder gemäß § 129a Abs. 1 i. V. m. § 129b Abs. 1 Strafgesetzbuch (StGB) zu teils mehrjährigen Freiheitsstrafen. Der frühere Gebietsleiter erhielt eine Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, Freiheitsberaubung, versuchter Nötigung und versuchter räuberischer Erpressung. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. 

Seit Mitte 2014 war der Hauptangeklagte als Gebietsleiter in Hamburg und später in Berlin tätig. Ab Juli 2017 bis zu seiner Festnahme im Juni 2018 war er Leiter der Region Baden-Württemberg und Gebietsleiter in Stuttgart. Dabei übte er nach Angaben des Gerichts kadertypische Tätigkeiten aus, z. B. die Durchführung von Spendensammlungen. Wegen Unregelmäßigkeiten bei der sogenannten Jahresspendenkampagne 2017 der PKK im Spendenraum Bruchsal und wegen des Fehlens eines fünfstelligen Betrags sollen er und die übrigen Verurteilten im April 2018 ein weiteres PKK-Mitglied zum Zweck einer „Befragung“ entführt und bedroht haben. 
Ziel der „Befragung“ war es, den Fehlbetrag und entsprechende Abrechnungsunterlagen einzutreiben. In der Folge wurde der Geschädigte gegen seinen Willen in eine Gaststätte im Landkreis Göppingen entführt. Nach seiner Freilassung mehrere Stunden später wandte er sich an die Polizei und erstattete Anzeige.

Die übrigen vier Verurteilten erhielten u. a. wegen Unterstützung der ausländischen terroristischen Vereinigung PKK in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, Freiheitsberaubung, versuchter Nötigung und versuchter räuberischer Erpressung Freiheitsstrafen von bis zu vier Jahren. 

Im Anschluss an das Urteil des OLG veröffentlichte der PKK-nahe Rechtshilfeverein „AZADI e. V.“ eine kritische Stellungnahme und kündigte an, dass die Verteidiger der Angeklagten Revision einlegen würden. 

Festnahme und Proteste 

Wenige Tage nach der Urteilsverkündung erfolgte die Festnahme zweier mutmaßlicher PKK-Funktionäre am 7. Mai 2021 in Esslingen am Neckar und Heilbronn wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in oder Unterstützung einer ausländischen Terrororganisation. In der Folge kam es zu mehreren Protestveranstaltungen in Baden-Württemberg, an denen sich neben PKK-Angehörigen u. a. Mitglieder der linksextremistischen „Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands“ (MLPD) beteiligten.

Bei einer Solidaritätsdemonstration unter dem Motto „Freiheit für alle politischen Gefangenen“ am 14. Mai 2021 in Heilbronn kam es zu fünf Strafanzeigen, u. a. aufgrund von Verstößen gegen das Vereinsgesetz. Unter demselben Motto demonstrierten etwa 100 Personen am 14. Mai 2021 in Stuttgart weitestgehend störungsfrei. 
Im Vorfeld der Demonstrationen hatten der Dachverband für die PKK-nahen Vereine in Deutschland „Konföderation der Gesellschaften Mesopotamiens in Deutschland“ („Konfederasyona Civaken Mezopotamyaye li Elmanyaye“, KON-MED) und der für Baden-Württemberg zuständige PKK-nahe Dachverband „Föderation der Gesellschaften Kurdistans Baden-Württemberg und Bayern e. V.“ („Federasyona Civaken Kurdistani li BW u Bayern e. V.“, FCK) zur Teilnahme aufgerufen. Die Organisationen erhoben Forderungen an die Bundesregierung:

„Als kurdische Dachverbände fordern wir die Bundesregierung auf, ihre repressive und diskriminierende Politik gegenüber Kurdinnen und Kurden aufzugeben. Von Methoden, die der Herangehensweise des türkischen Staates gegenüber dem kurdischen Volk ebenbürtig sind, sollten die Behörden absehen. Der richtige Ansatz des deutschen Staates wäre jetzt, für eine Lösung der kurdischen Frage die Initiative zu ergreifen und Kanäle für einen konstruktiven Dialog zu öffnen. Dies ist die Haupterwartung der Kurd:innen an die Bundesregierung.“

Bedeutung des PKK-Medienapparats

Der Prozess gegen die fünf nun verurteilten Personen hatte am 16. April 2019 begonnen und war fortlaufend von PKK-nahen Medien begleitet worden, u. a. der PKK-Tageszeitung „Yeni Özgür Politika“ (YÖP) sowie der PKK-nahen Nachrichtenagentur „Firatnews Agency“ („Ajansa Nuceyan a Firate“, ANF). Zudem wurde der Prozess wiederholt in den sozialen Netzwerken thematisiert. 

Auch bei den Festnahmen vom 7. Mai 2021 griff die PKK auf ihr Medienwesen zurück, berichtete über die Ereignisse und nutzte diese Möglichkeiten, um zu Protestaktionen aufzurufen. Die Mobilisierung erfolgte überregional und aktivierte in kurzer Zeit eine breite Anhängerschaft. 

Bewertung 

Die Entführung des Geschädigten im Zusammenhang mit der Jahresspendenkampagne 2017 ist eine Ausnahme vom Gewaltverzicht, den die PKK-Führung propagiert. Dennoch sind auch künftig gewalttätige Aktionen nicht auszuschließen. Der Entführungssachverhalt belegt exemplarisch, dass Gewaltanwendung nach wie vor ein geeignetes Mittel für einzelne PKK-Verantwortliche zu sein scheint, um „Verräter“ oder politische Kontrahenten zu bestrafen. Potenzielle Aussteiger aus der streng hierarchischen Kaderpartei dürften auch zukünftig unter Druck gesetzt werden – auch, um eine mögliche Zusammenarbeit mit deutschen Sicherheitsbehörden zu verhindern. 

Das konsequente und anhaltende Vorgehen der Sicherheitsbehörden in Baden-Württemberg und Deutschland dürfte es der PKK nach Einschätzung des Landesamts für Verfassungsschutz indes erschweren, kurzfristig geeignete Anhänger für führende Positionen innerhalb der Organisation zu finden. 


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