Bereits zum vierten Mal trafen sich am 31. August 2024 mehrere hundert Personen aus dem Milieu der „Reichsbürger“, um sich zu vernetzen und ihr gemeinsames ideologisches Ziel, die Rückkehr zur Reichsverfassung von 1871, in einer groß angelegten Versammlung öffentlich sichtbar zu machen. Unter den rund 500 Personen, die anlässlich der Veranstaltung „Das große Treffen der 25+1 Bundesstaaten“ in der Münchener Innenstadt rund um den Königsplatz zusammenkamen, waren auch ca. 40 Personen aus Baden-Württemberg, die sich selbst dem „Großherzogtum Baden“ oder dem „Königreich Württemberg“ zugehörig fühlen. Zwar waren die vorangegangenen Treffen am 19. August 2023 in Magdeburg, am 28. Oktober 2023 in Dresden und am 6. April 2024 in Gera mit 800 bis 1.000 Teilnehmern noch besser besucht, für eine Versammlung von Anhängern aus dem Milieu der „Reichsbürger“ ist eine dreistellige Teilnehmerzahl dennoch bemerkenswert.
Als Redner trat unter anderem ein aus Baden-Württemberg stammender „Reichsbürger“ und Autor auf. Er gilt als einflussreicher Multiplikator und Ideologiegeber. Außerdem zogen die Teilnehmenden mit den Flaggen der Bundesstaaten des historischen Deutschen Reichs durch die Münchner Innenstadt. Weder bei der Versammlung selbst noch bei einer zeitgleich stattfindenden Gegendemonstration kam es laut Polizeiangaben zu Ausschreitungen.
Bei den „Großen Treffen der 25+1 Bundesstaaten“ orientieren sich die Teilnehmenden ideologisch – wie in weiten Teilen des „Reichsbürger“-Milieus üblich – an der Staatsstruktur des historischen Deutschen Reichs, das 1871 25 Bundesstaaten umfasste. Das „+1“ beschreibt das ehemalige als „Reichsland“ bezeichnete Elsaß-Lothringen, das ebenfalls dem Deutschen Reich zugerechnet wurde. Außerdem hat für die Teilnehmenden die konstitutionelle Monarchie als damalige Staatsform nach wie vor Gültigkeit. Alle historischen Ereignisse nach dieser Zeit hätten, so die Anhänger, niemals rechtliche Legitimation erlangt; es habe beispielsweise niemals einen Friedensvertrag gegeben. Auch das Grundgesetz wird nicht anerkannt; stattdessen wird auf die angeblich weiterhin anzuwendende Reichsverfassung aus dem Jahr 1871 verwiesen.
Die Rückkehr zum Deutschen Reich kann als „kleinster gemeinsamer Nenner“ der Teilnehmenden verstanden werden, da es im Milieu der „Reichsbürger“ immer wieder zu Konflikten in Bezug auf historische oder juristische Details kommt, die größere Veranstaltungen in der Regel erschweren. Im Falle der „Großen Treffen der 25+1 Bundesstaaten“ allerdings gelingt es, diese Differenzen zumindest zeitweise beiseite zu schieben, um sich zu versammeln und ideologische Einigkeit zu demonstrieren. Neben dem Wunsch der Wiederherstellung des historischen Deutschen Reichs zeichnet die Teilnehmenden mangelnde Akzeptanz des Verlaufs der bundesdeutschen Geschichte sowie die Ablehnung zahlreicher Landesgrenzen aus, da einige der damaligen Bundesstaaten heute ganz oder in Teilen zu Dänemark, Polen oder Frankreich gehören.
Aufgrund des vergleichsweise großen Erfolgs des Formats „Das Große Treffen der 25+1 Bundesstaaten“ erwartet das Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg in der Zukunft ähnliche Veranstaltungen, bei denen wieder bekannte Milieuangehörige aus Baden-Württemberg teilnehmen dürften.