Extremistische Personen und Organisationen nutzen die sozialen Netzwerke gezielt, um ihre Ideologie zu verbreiten, Anhängerinnen und Anhänger zu rekrutieren und für sich bzw. ihre Ziele zu mobilisieren. Dabei können sie ihre Botschaften in Echtzeit vermitteln und eine hohe Reichweite erzielen. Auch innerhalb des Türkischen Rechtsextremismus ist eine hohe Aktivität im Netz festzustellen: So pflegen zum Beispiel Vereine, die der türkisch-rechtsextremistischen „Ülkücü“-Bewegung zugeordnet werden, auf Facebook und Instagram offizielle Auftritte. Sie nutzen die sozialen Netzwerke, um über ihre Vereinsarbeit zu berichten, Veranstaltungen zu bewerben, aber auch zur Kommunikation mit ihren Mitgliedern oder zur Veröffentlichung von Gedenken an türkisch-rechtsextremistische Führungspersonen und Vordenker wie etwa Alparslan Türkeş.
Auch Einzelpersonen, die der sogenannten „freien Ülkücü“-Szene zugeordnet werden, sind in sozialen Netzwerken aktiv und erreichen dort tausende Menschen. Als Internetaktivisten engagieren sie sich öffentlich politisch und meist gesellschaftskritisch gegenüber Deutschland und geben vor, ihre Follower informieren zu wollen und gleichzeitig deren Sprachrohr zu sein. Sie verbreiten auf Instagram, X (ehemals Twitter) und TikTok nationalistische, rassistische und antisemitische Inhalte der „Ülkücü"-Ideologie, die vor allem von jungen Menschen mit Türkeibezug konsumiert werden.
Elemente von türkischem Rechtsextremismus in sozialen Netzwerken
Türkisch-rechtsextremistische Internetaktivisten beziehen sich häufig bereits in ihren Profilbeschreibungen und Nutzernamen auf die „Grauen Wölfe", etwa durch das Wort „Türk“ in Orchon-Runen. In Anlehnung an das bekannteste Symbol der „Grauen Wölfe“, einem vor einem Mond heulenden Wolf, werden auch Wolfs-Emojis als Erkennungszeichen genutzt.
Ihre Posts beinhalten meist diese Elemente:
- nationalistische Ideen und Ziele der „Ülkücü“-Bewegung;
- Freund-Feind-Denken durch Verherrlichung von Freunden einerseits sowie Hetze und Kritik gegen vermeintliche Feinde der Türken andererseits;
- falsche und irreführende Informationen über Personen und Ereignisse.
Die „Ülkücü“-Ideologie beinhaltet einen übersteigerten Nationalismus, gepaart mit der Vorstellung einer ethnisch einheitlichen Gesellschaft in einem fiktiven großtürkischen Reich namens „Turan“, das sich über alle turksprachigen Länder erstreckt. Zu diesen gehören unter anderem Aserbaidschan, Kasachstan, Kirgisistan, Usbekistan und Turkmenistan. Türkisch-rechtsextremistische Internetaktivisten teilen graphische Darstellungen dieses fiktiven Reichs und zelebrieren öffentlich die Verbundenheit dieser Staaten mit der Türkei in der heutigen Zeit. Dabei unterlegen sie ihre Posts meist mit einschlägigen Liedtexten oder Tonmitschnitten von türkisch-rechtsextremistischen Vordenkern und Politikern. Beispielsweise teilte ein Internetaktivist aus Baden-Württemberg auf TikTok eine stark vereinfachte Darstellung des „Turan“ und hinterlegte das Bild mit einem Lied, in dem „Olacak, olacak, sönmenden olacak“ („Es wird geschehen, es wird geschehen, es wird geschehen, bevor es verblasst“) gesungen wird. Mit „Es“ ist hier das fiktive „Turan“ gemeint.
Das Weltbild der „Grauen Wölfe“ beinhaltet klare ethnische und religiöse Feindbilder sowie einen ausgeprägten Antisemitismus. Die Anhängerschaft würdigt vor allem Armenier, Juden und Kurden herab und bedroht sie vereinzelt sogar. Eine Internetaktivistin aus Baden-Württemberg, die sich regelmäßig mit dem türkisch-kurdischen Konflikt und der „Arbeiterpartei Kurdistans“ (PKK) befasst, teilte beispielsweise ein Bild von mutmaßlich türkischen Soldaten und kommentierte es mit den Worten „Solange Wir da sind, können Sie [die PKK] die Berge nicht verlassen!!“ (türkisch: „Biz oldukca Onlar daglardan cikamaz!!“).
Ein weiterer Internetaktivist vereinte in einem Posting gar zwei Feindbilder und teilte ein Bild von offenkundig kurdischen Personen in Kampfbekleidung, die eine Flagge des Staates Israel hochhalten. Obwohl er keinen Text zu dem Bild veröffentlichte, verstanden seine Follower die dahinterstehende Botschaft und kommentierten mit abfälligen Aussagen wie: „Dreck“.
Türkisch-rechtsextremistische Internetaktivisten nehmen oft aktuelle Ereignisse zum Anlass, um in den sozialen Netzwerken gegen diese „Feinde“ zu hetzen. So wird in diesen Kreisen Israel regelmäßig des Völkermordes an den Palästinensern bezichtigt. Während der türkischen Parlaments- und Präsidentschaftswahlen im Jahr 2023 teilten einige Internetaktivisten manipulierte und irreführende Bilder und Videos, die eine angebliche Verbindung von Oppositionsparteien und -politikern zu Kurden und der PKK nahelegten.
Bewertung
Die Verbreitung deutschsprachiger Inhalte der türkisch-rechtsextremistischen „Ülkücü“-Bewegung in den sozialen Netzwerken hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Internetaktivisten mit hoher Reichweite tragen durch die Verbreitung von gängigen ideologischen Narrativen und irreführenden Informationen gezielt zur politischen Meinungsbildung und Selbstwahrnehmung vor allem von jungen Menschen mit Türkeibezug bei. Sie verherrlichen das „Türkentum“ und die „Ülkücü“-Ideologie – und das meist beiläufig und unterschwellig. Ihren Followern vermitteln sie dabei das Bild, in Deutschland nicht dazuzugehören und daher ihre türkische Identität verteidigen zu müssen. Genau diese Haltung und Inhalte bergen die Gefahr, dass sich junge Menschen radikalisieren und von der deutschen Gesellschaft und Werteordnung entfremden.