ISLAMISTISCHER EXTREMISMUS UND TERRORISMUS

Flyerprojekt „Was danach?“: Die neueste Form der salafistischen Missionierung

Die Missionierung (arabisch: „da’wa“) im öffentlichen Raum ist zentraler Bestandteil des Salafismus. So stellen salafistische Akteure sicher, dass sowohl Nicht-Muslime wie auch als „fehlgeleitet“ wahrgenommene Muslime von der salafistischen Ideologie erreicht und überzeugt werden können. Mit dem Flyerprojekt „Was danach?“ geht die Szene nun neue Wege, um möglichst viele Menschen zu erreichen: Statt der bisherigen Verteilaktionen und Infostände in Fußgängerzonen sollen Flyer verstärkt in der Öffentlichkeit ausgelegt oder in der Nachbarschaft verteilt werden. Ziel ist es, den hohen Organisationsaufwand der persönlichen Ansprache zu senken und zu vermeiden, dass die extremistischen Akteure bei offenem Auftreten erkannt werden. Erste Broschüren wurden bereits in Briefkästen eingeworfen, so zum Beispiel in Stuttgart.

Für Akteure der salafistischen Szene zählte die „Street-Da’wa“, also die Missionierung im öffentlichen Raum, lange Zeit als Hauptagitationsfeld neben den sozialen Medien. Im Zuge der Professionalisierung der salafistischen Szene erschließen Szeneakteure inzwischen aber neue Betätigungsfelder: Dazu gehört das Flyerprojekt „Was danach?“, in dessen Rahmen verschiedene Broschüren in der Nachbarschaft verteilt und in der Öffentlichkeit ausgelegt werden sollen. Durch die neue Art, die Flyer in Umlauf zu bringen, soll verschleiert werden, dass es sich um ein salafistisches Projekt handelt. Darüber hinaus ist das Projekt noch stärker an die beiden Zielgruppen angepasst: Einerseits Nicht-Muslime und andererseits aus Sicht der Szene „fehlgeleitete“ Muslime, also Personen, die im Rahmen der innerislamischen „Rechtleitung“ auf den „geraden Weg“ der salafistischen Glaubensauslegung gebracht werden sollen.

Mit Sinnfragen in die salafistische Glaubensauslegung

Hierzu haben die Projektbetreiber je nach Zielgruppe verschiedene Flyer entworfen beziehungsweise in Planung. Eine achtseitige Broschüre für Nicht-Muslime etwa trägt den Titel „Was passiert nach dem Tod?“ und befasst sich auf den ersten Seiten mit Sinnfragen des Lebens: „Warum lebe ich?“, „Woher komme ich?“ und „Wohin gehe ich nach dem Tod?“. So sollen direkte Anknüpfungspunkte an die Leserschaft geschaffen werden. Damit verfolgt das Projekt einen neuen Ansatz, bei dem nicht mehr emotionalisierende Botschaften, sondern eine vermeintlich neutrale faktenbasierte Argumentation vertreten wird, um die eigene Weltanschauung plausibel darzustellen. Dieser vermeintlich leichte Einstieg in das Thema soll auch verschleiern, worum es in der Broschüre eigentlich geht: Zu Beginn ist nicht ersichtlich, dass Religion thematisiert wird. Koranzitate, die einen Hinweis auf die muslimische Ausrichtung geben könnten, werden nicht als solche gekennzeichnet. Den Sinnfragen folgend wird erst auf die Existenz Gottes und anschließend auf das Thema „Glauben“ und den Islam hingeleitet. Dabei wird zuerst der deutsche Begriff „Gott“ verwendet, wodurch wieder nicht erkennbar sein soll, um welche Weltanschauung es sich handelt. Erst in der Mitte der Broschüre wird dann der Bezug zum Islam ersichtlich, wenn zum Beispiel der Begriff „Muslim“ verwendet wird.

Die Titelseite der achtseitigen Broschüre „Was passiert nach dem Tod?“ des neuen salafistischen Projekts „Was danach?“, die an Haushalte in Deutschland verteilt werden soll.

Höllenfeuer für die Zielgruppe „fehlgeleitete“ Muslime

Auch die anderen Druckerzeugnisse von „Was danach?“ lassen nicht auf den ersten Blick erkennen, dass es sich um Produkte von Salafisten handelt. Diese richten sich laut Herausgeber zwar an Muslime, trotzdem wird der Zielgruppe auf den Flyern das „Muslimsein“ abgesprochen, wenn diese nicht der vermeintlich wahren, sprich salafistischen Glaubensauslegung folgen. Zwei der Flyer verfolgen dabei unterschiedliche Ansatzpunkte, die jeweils salafistische Argumentationsmuster enthalten. 

So stellt das eine Flugblatt ein angeblich falsches Religionsverständnis der vermeintlich wahrhaftigen Islamauslegung gegenüber, indem es fragt: „Kultur-Islam oder wahrer Islam?“ Aufgegriffen wird hier ein zentrales salafistisches Motiv, nach dem die unterschiedlichen Ausformungen und Entwicklungen des modernen, von vielen Muslimen gelebten Islams ablehnt werden und „fehlgeleitete“ Muslime stattdessen rechtgeleitet werden sollen. Darüber hinaus wird behauptet, dass eine Großzahl der Muslime durch unislamische Neuerungen (arabisch: „bid‘a“) den Glauben verfälschten. Der Tenor des Flyers ist dementsprechend: Jeder, der nicht der „richtigen“, also salafistischen, Glaubensauslegung folgt, wird im „Höllenfeuer“ enden.

Das Motiv des „Höllenfeuers“ am „Tag der Auferstehung“ (arabisch: „yaum al-qiyama“) wird zentral auch im zweiten Flyer für Muslime aufgegriffen. Die Frage dort lautet: „Was hat euch in die Hölle gebracht?“ und knüpft damit an die islamischen Endzeitvorstellungen sowie die vermeintlich drohende Strafe an, wenn man nicht der salafistischen Glaubensauslegung folgt. Diese Hervorhebung der Untergangsszenarien ist nicht nur kennzeichnend für den Salafismus, sondern findet sich auch in anderen extremistischen Szenen. Auch dieser zweite Flyer spricht Muslimen das „Muslimsein“ ab, indem er fragt „Bist du überhaupt Muslim?“ und behauptet, dass „Viele Gelehrte sagen […]: Wer nicht betet, ist kein Muslim“.

Die beiden Flyer „Was hat euch in die Hölle gebracht?“ und „Kultur-Islam oder wahrer Islam?“ des neuen salafistischen Projekts „Was danach?“. Die beiden Flyer richten sich an „fehlgeleitete“ Muslime, die nicht der salafistischen Glaubensauslegung folgen.

Vermeintlich unproblematische Inhalte von extremistischen Akteuren

Insgesamt enthalten die bisher veröffentlichten und verteilten Broschüren und Flyer von „Was danach?“ bis auf wenige Ausnahmen keine extremistischen Inhalte. Aus Sicht des Verfassungsschutzes bedenklich sind vielmehr die Akteure des Projekts und die Personen und Organisationen, auf die verwiesen wird. 

Auf der zum Projekt gehörenden Homepage sind allerdings erste extremistische Inhalte zu finden. Unter der Rubrik „Widerlegung der Vorurteile“ wird dort bei den Ausführungen zum islamischen Recht (arabisch: „scharia“) die Todes- und Körperstrafe verteidigt. Die Scharia, die neben dem Strafrecht auch andere Lebensbereiche regelt, schütze die Religion, die Gesellschaft und das Individuum, heißt es weiter. Hinsichtlich der Scharia gilt für alle Islamisten – also auch Salafisten – dass in einer islamistischen Gesellschaftsordnung keinerlei Trennung von religiöser und politischer Sphäre herrscht. Die Scharia als göttliches Gesetz ist gänzlich anzuwenden. Auf der Homepage des Projekts werden anschließend die Vorzüge des Strafrechts gegenüber „menschengemachtem Strafrecht“, wie dem deutschen Strafgesetzbuch, hervorgehoben. Bei den Ausführungen zu den Körperstrafen wird zwar eingeschränkt, dass diese nur in einem islamischen Land angewendet werden würden - trotzdem wird indirekt für diese Strafen geworben, indem ihre Vorteile aufgezählt werden.

In weiteren Ausführungen auf der Homepage werden vermeintliche Vorurteile gegenüber dem Islam dadurch widerlegt, dass auf den moralisch angeblich verdorbenen „Westen“ verwiesen wird. So schreiben die Verantwortlichen von „Was danach?“ zu dem Vorwurf „Der Islam unterdrückt die Frau“, dass man „die angebliche Unterdrückung nicht aus der westlichen Brille betrachten“ [sic!] dürfe. An anderer Stelle folgt dann die Aussage: „Was also für den einen Unterdrückung ist, kann für den anderen Wille oder Befreiung sein“. Nach der Argumentation der Projektbetreiber werden Frauen also nicht unterdrückt, wenn diese der salafistischen Ideologie folgend ihre ungleiche Stellung gegenüber dem Mann als „ihren eigenen Willen“ ansehen. Hierdurch kommt eine angeblich feststehende Ungleichheit zwischen Mann und Frau zum Ausdruck, die der Salafismus propagiert und die nicht mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu vereinbaren ist.

Am Ende des Abschnitts folgt eine weitere These in diesem Zusammenhang: Es würde den Musliminnen und Nicht-Musliminnen eingeredet, dass „Hausfrau zu sein altmodisch und primitiv sei“. Der wahre Grund für diese Aussagen aber sei, dass „man den Wachstum des Islams stoppen“ [sic!] wolle – denn eine arbeitende Frau würde weniger Kinder bekommen als eine Hausfrau.

Organisatoren des Projekts sind in der Szene seit Jahren bekannt 

Die Organisatoren des Projekts „Was danach?“ sind überwiegend der extremistischen Szene des Salafismus zuzuordnen. Sie kommen aus dem Umfeld der salafistischen „Deutschsprachigen Muslimischen Gemeinschaft e.V.” in Braunschweig (DMG Braunschweig). Die DMG Braunschweig wird in den Druckerzeugnissen als Herausgeberin aufgeführt und im Impressum der Homepage angegeben. Die DMG Braunschweig nimmt eine zentrale Rolle in der überregionalen Vernetzung salafistischer Aktivitäten ein. 

Als Werbefigur für „Was danach?“ fungiert der aus Nordrhein-Westfalen stammende Salafist Pierre VOGEL. Er tritt seit mehreren Jahren regelmäßig in der DMG Braunschweig auf. VOGELs genaue Rolle beim Projekt ist aktuell noch nicht ganz klar: In mehreren Videos auf Instagram betont er zwar, dass das Projekt nicht von ihm stamme, sondern von einer Person aus seinem Umfeld. In anderen Videos spricht er aber über „Was danach?“ in der ersten Wir-Form. Die salafistische Ausrichtung und die Bedeutung VOGELs für das Projekt wird auch durch die vielfache Verlinkung seiner Videos auf der dazugehörigen Homepage deutlich.

Ehrgeizige Zielsetzung: Jeder Haushalt in Deutschland soll erreicht werden

Nach Angaben der „Was danach?“-Betreiber wurden in der ersten Auflage über 200.000 Flyer und Broschüren dank Spendengeldern gedruckt und in den vergangenen Wochen an Freiwillige verschickt. In den kommenden Monaten sollen diese deutschlandweit – auch in Baden-Württemberg – die Flyer an möglichst viele Haushalte verteilen und an öffentlichen Orten auslegen, zum Beispiel an Büchertauschstationen, wie sie in vielen Fußgängerzonen existieren. Darüber hinaus wurden erste Broschüren in Briefkästen in Stuttgart eingeworfen.

Die Akteure aus dem Umfeld von „Was danach?“ streben offenbar an, insgesamt 20 Millionen Broschüren zu drucken und zu verteilen, um nach Aussage von Pierre VOGEL durch die Konversion „8 Millionen deutschstämmige Muslime“ zu erreichen. Sie handeln damit nach dem salafistischen Ideal, mit der „Da’wa“-Arbeit jeden Nicht-Muslim zu erreichen.

Fazit: Indoktrination mit Salafismus folgt in einem späteren Schritt

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass das Projekt „Was danach?“ durch sein vermeintlich neutrales Auftreten und die Vermeidung offener extremistischer Bezüge die salafistische Ausrichtung der beteiligten Akteure verschleiern will. Nicht-muslimische Haushalte sollen über die Auseinandersetzung mit den Sinnfragen des Lebens zunächst zum Glauben, dann zum Islam und schließlich zum Salafismus gebracht werden. Damit zielt das Projekt nicht auf die Verbreitung von allgemeinen Glaubensinhalten ab, sondern verbreitet unter dem Vorwand, sich auf den Islam zu berufen, eine extremistische Ideologie, die der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zuwiderläuft.

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