Der Inhaber des seit Jahrzehnten in Tübingen ansässigen „Hohenrain-Verlags“ hat im Frühjahr 2021 bekanntgegeben, seine Verlagstätigkeit einzustellen und nur noch als Buchversand fortzubestehen. Damit endet eine rechtsextremistische Verlegertätigkeit in Baden-Württemberg, die bereits in der Nachkriegsära begonnen hat.
Die „Gesellschaft Hohenrain-Verlag GmbH“ wurde am 11. Januar 2021 aufgelöst, der Verlag befindet sich in Liquidation. Als Liquidator fungiert der Inhaber und Geschäftsführer Bernhard GRABERT selbst. Der „Hohenrain-Verlag“ gehörte trotz seiner geringen Größe zu den wichtigsten organisationsunabhängigen rechtsextremistischen Verlagen in Deutschland. Er verlegte überwiegend Publikationen, die als revisionistische oder rechtsextremistische Literatur zu bezeichnen sind. Zuletzt waren auf der Homepage noch 121 verlagseigene Titel gelistet.
Die Gründe für die Entscheidung GRABERTs für die Aufgabe seiner Verlegertätigkeit sind in dem kleinen Katalogheft
„Grabert-Kurier“ vom April 2021 angedeutet. Im Begleitwort erklärt GRABERT mit Verweis auf „die
Zahlen“, man habe „von der Produktion eigener Titel (…) schweren Herzens Abschied“ genommen. In
erster Linie ist der Verlag also in finanzielle Schieflage geraten. Der Buchvertrieb bleibt laut GRABERT bestehen und soll weiterhin jeden
verfügbaren Titel liefern. Neben einer Auswahl von Buchvorstellungen enthält der „Grabert-Kurier“ auch eine Reihe
kleinerer Stellungnahmen zu aktuellen politischen Themen.
Das für eine Veränderung erste sichtbare Zeichen nach außen war im Mai 2021 die Anpassung des Logos auf der Webseite des
Hohenrain-Verlags: Hier erfolgte eine Umbenennung von „Buchdienst Hohenrain, HOHENRAIN-VERLAG“ in „Bernhard Grabert,
HOHENRAIN-VERLAG“. Im Impressum heißt es „Bernhard Grabert Buchdienst Hohenrain“. Der „Euro-Kurier“, der
jahrelang die Publikationen des Verlags und Versandhandels bewarb, wurde vom neuen kleinerformatigen „Grabert-Kurier“
abgelöst. Die Erscheinungsweise wird auf vierteljährlich statt früher zweitmonatlich gedehnt, an Aufmachung und Stil hat
sich indes nicht viel geändert.
Verlagsgeschichte und -programm
Die Aufgabe der eigenen verlegerischen Tätigkeit stellt eine Zäsur dar: Bernhard GRABERT war Verleger in dritter Generation. Sein Großvater Herbert GRABERT hatte den Verlag 1953 als „Verlag der deutschen Hochschullehrerzeitung“ gegründet; sein Vater Wigbert GRABERT übernahm ihn in den 1970er Jahren zunächst als Geschäftsführer, nach dem Tod des Großvaters 1978 als Eigentümer. 2013 trat Bernhard GRABERT als Unternehmer in die Fußstapfen von Vater und Großvater. Vom früheren „Grabert Verlag“, der 1985 um den „Hohenrain-Verlag“ erweitert wurde und schließlich in diesem aufging, zeugen nur noch die Bestell-Homepage und antiquarische Büchern aus dieser Zeit.
Das Spektrum der Publikationen bediente überwiegend die Bedürfnisse rechtskonservativer und rechtsextremistischer Leser. Der Verlag war hauptsächlich revisionistisch ausgerichtet und verbreitete die rechtsextremistische Ideologie durch Sachbücher, die einseitig und manipulativ die jeweilige Thematik bedienten. Ein noch im „Grabert Verlag“ publiziertes und bis heute im Versand erhältliches fünfteiliges Nachschlagewerk ist der für die rechtsextremistische Szene bedeutsame Band „Der große Wendig. Richtigstellungen zur Zeitgeschichte“. Dieser behandelt historische Ereignisse aus rechtsextremistischer Sicht und soll Rechtsextremisten Argumente für Diskussionen bieten. Flaggschiff des Verlags war die Zeitschrift „Deutschland in Geschichte und Gegenwart“ (DGG), die vierteljährlich in hochwertigem Druck erschien und den Eindruck eines geschichtswissenschaftlichen Magazins erweckte. Tatsächlich aber zeigten sich die revisionistische Ausrichtung und die positive Bezugnahme auf den Nationalsozialismus immer wieder unverhohlen, etwa wenn ein Artikel den „Deutschen Tierschutz“ als „Pioniertat der Nationalsozialisten“ pries, für den sich der „Führer und Reichskanzler“ Hitler besonders eingesetzt habe. Im Dezember 2017 erschien indes nach 65 Jahren die letzte DGG-Ausgabe, was Bernhard GRABERT mit der Indizierung eines der Hefte durch die damalige Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (heute Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz) begründete.
Der Verlag war aufgrund seiner Veröffentlichungen des Öfteren Anklagen und Verurteilungen ausgesetzt. 2017 wurde das
Geschäft durch den Brand eines Nachbargebäudes empfindlich in Mitleidenschaft gezogen, außerdem beklagte Bernhard GRABERT
die Folgen der Corona-Krise für sein Unternehmen. Verschiedentlich bat er seine Kunden um Spenden.
Mögliche Gründe für das Scheitern
Bis jetzt ist in der Szene keine Resonanz auf die Liquidation des traditionsreichen „Hohenrain-Verlags“ festzustellen
– womöglich auch deshalb, weil dieser als Versandbuchhandel weiter existiert und sich auf der Homepage nur das Logo unwesentlich
geändert hat. Durchaus wahrscheinlich ist es, dass Verlag und Versand mit der demografischen Entwicklung zu kämpfen hatten. Das
Bücherangebot des „Hohenrain-Verlags“ könnte jüngeres intellektuelles rechtsextremistisches Publikum, das
vermehrt soziale Medien und das Internet zur Wissensaneignung und zum Informationsaustausch verwendet, nicht mehr erreicht haben.
Bücher wie der zuletzt verlegte und beworbene fast 400-seitige „Hohenrain“-Titel „Für Deutschland. Wider
eingepflanztes Irresein und propagierte Geschichtslügen“ spricht mit seiner nicht mehr zeitgemäßen Aufmachung eher
eine ältere Leserschaft an.