Das Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg (LfV) rechnet der linksextremistischen Szene nach Abzug der
Mehrfachzugehörigkeiten derzeit 2.690 Personen zu. Davon gelten 870 Personen als
gewaltorientiert. Wie aus dem folgenden Schaubild ersichtlich wird, ist sowohl die Anzahl der Linksextremisten insgesamt, als auch die
Anzahl derer, denen eine Gewaltorientierung zugeschrieben wird, in den letzten fünf Jahren relativ stabil geblieben.
Alters- und Geschlechterstruktur
Ein Blick auf die Altersstruktur der linksextremistischen Szene legt nahe, dass die mit dem Linksextremismus verbundenen Ideologien besonders für die Altersgruppe der Jugendlichen und jungen Erwachsenen attraktiv erscheinen: So sind mehr als die Hälfte aller Linksextremisten in Baden-Württemberg zwischen 15 und 29 Jahren alt. Zahlenmäßig die größte Alterskohorte stellt dabei die Gruppe zwischen 20 und 29 Jahren dar. Dennoch ist auch auffallend, dass sich die Attraktivität linksextremistischer Ideen offenbar nicht nur auf die ersten Lebensabschnitte beschränkt, sondern auch im fortgeschrittenen Lebensalter nicht nachlässt. Dies gilt vor allem für die Zugehörigkeit zu linksextremistischen Parteien. Immerhin etwas mehr als zehn Prozent der Linksextremisten in Baden-Württemberg sind älter als 60 Jahre.
Dass die Zahl der Linksextremisten ab dem 40. Lebensjahr insgesamt deutlich abnimmt, ist zu einem Großteil linksextremistischen Aktionsformen zuzuschreiben. So ist beispielsweise die Teilnahme an Demonstrationen oder die Beteiligung an Farbangriffen mit zunehmendem Lebensalter oftmals unvereinbar mit dem Privat- beziehungsweise Familienleben. Daher ist in vielen Fällen zu beobachten, wie Einzelpersonen sich mit zunehmendem Alter vom linksextremistischen Umfeld abwenden. Ein weiterer Erklärungsansatz für das überwiegend junge Alter der Szenenangehörigen ist, dass Jugendliche und junge Erwachsenen besonders stark auf der Suche nach der eigenen Identität sind und gesellschaftliche Normen hinterfragen. Linksextremistische Vorstellungen können dabei aufgrund der hohen gesellschaftlichen Anschlussfähigkeit vieler Themen eine starke Anziehungskraft entwickeln. Auch die linksextremistische Agitation auf der Straße, mit der beispielsweise die Risikobereitschaft von Einzelnen angesprochen wird und mit der „Gemeinschaftserlebnisse“ geschaffen werden können, sind mögliche Gründe der gesteigerten Attraktivität der linksextremistischen Szene für die entsprechende Altersklasse.
Obwohl auch feministische Themen, wie etwa die Diskussion über Auswirkungen patriarchaler Strukturen auf die weibliche Lebenswelt, immer wieder eine bedeutende Rolle innerhalb linksextremistischer Diskurse spielen, zeigen die Daten eine deutlich männlich dominierte Anhängerschaft im Land: Lediglich etwas mehr als ein Viertel der Szeneangehörigen ist weiblich. Ein einstelliger Prozentsatz der linksextremistischen Szeneangehörigen lässt sich nicht den binären Kategorien „männlich/weiblich" zuordnen.
Regionale Schwerpunkte und Aktionsschwerpunkte
Der Linksextremismus in Baden-Württemberg ist primär ein urbanes Phänomen, analog dem bundesweiten Trend. Während im ländlichen Raum wenig linksextremistische Aktivitäten zu beobachten sind, ist das in städtischen Bereichen anders: Hier sind linksextremistische Gruppierungen deutlich aktiver. Insbesondere die Großräume Stuttgart und Karlsruhe fallen hierbei im quantitativen Vergleich auf.
Inhaltlich liegt der Aktionsschwerpunkt der linksextremistischen Szene in Baden-Württemberg eindeutig im Bereich des „Antifaschismus“. Hier sind insbesondere Aktionen von Bedeutung, die sich gegen Akteure des gegensätzlich ausgerichteten politischen Spektrums richten, also gegen „rechts“ – zum Beispiel gegen Mitglieder der Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD). Auch beinahe die Hälfte aller begangenen Straf- und Gewalttaten wurde den aktuellsten Zahlen zu Folge in diesem Aktionsfeld verzeichnet. Aufgrund der aktuellen Strafverfolgungsmaßnahmen und der jüngsten Urteile gegen Linksextremisten ist jedoch auch im Aktionsfeld „Antirepression“ eine hohe Aktivität der Szene zu beobachten.
Bewertung
Die Aussagen, die sich aus der systematischen Beobachtung der linksextremistischen Szene in Baden-Württemberg ergeben, decken sich in weiten Teilen mit bundesweiten Beobachtungen: So untermauern die vorliegenden Daten hinsichtlich der Altersstruktur die gängige Annahme, dass der Linksextremismus überwiegend für Jugendliche und junge Erwachsene attraktiv ist und besonders im urbanen Raum auftritt. Die linksextremistische Szene in Baden-Württemberg stellt sich dabei mit einem verhältnismäßig geringen Frauenanteil als zumindest quantitativ eindeutig männlich dominiert dar. Ein Blick auf die Aktionsfelder zeigt, dass in Baden-Württemberg aktuell der „Antifaschismus“ der zentrale inhaltliche Schwerpunkt von Linksextremisten ist. Angesichts der anstehenden Kommunal- und Europawahlen und des prognostizierten Stimmenzuwachses der AfD ist davon auszugehen, dass der „Antifaschismus“ auch in naher Zukunft der Aktionsschwerpunkt der linksextremistischen Szene in Baden-Württemberg bleiben wird.