Was bedeutet Einflussnahme im Kontext von Wahlen?
Deutschland wählt am 23. Februar 2025 den 21. Deutschen Bundestag. Die Zusammensetzung des Parlaments prägt maßgeblich die Innen- und Außenpolitik Deutschlands. Deshalb steht die Bundestagswahl im besonderen Fokus fremder Mächte. Fremdstaatliche Akteure versuchen demokratische Wahlen entsprechend eigener politischer, wirtschaftlicher oder sogar militärischer Interessen zu beeinflussen.
Die Einflussnahme durch fremde Mächte kann dabei viele Formen annehmen und reicht:
- von der Verbreitung falscher oder irreführender Informationen (Desinformation) zum Beispiel auf sozialen Medien über die Erbeutung und Veröffentlichung von kompromittierenden Daten (Hack-and-Leak) bis zur Erzeugung von gefälschten Nachrichtenseiten, Fotos und Videos (Deep Fakes);
- vom Versuch der Bestechung einzelner Politikerinnen und Politiker über das Kaufen von Wählerstimmen bis zum technischen Einwirken auf Wahlinfrastruktur;
- von der Anheizung wahlrelevanter Konflikte und Reizthemen durch politische Graffiti über Gewaltandrohungen gegen Wahllokale bis zu tatsächlichen Sabotageaktivitäten.
All dies sind Beispiele hybrider Maßnahmen, die fremde Mächte kombiniert und unter Vorspiegelung falscher Tatsachen einsetzen können und mit denen sie versuchen, demokratische Prozesse zu beeinflussen. Dabei verschleiern sie ihre Involvierung und streiten jegliche Beteiligung öffentlich ab. Erst umfangreiche Analysen können zutage fördern, ob fremde Mächte an der Verbreitung falscher Informationen und KI-generierter Fotos im Internet beteiligt waren: beispielsweise jener Falschinformationen, die mehrere deutsche Spitzenpolitiker des Kindesmissbrauchs oder der Korruption bezichtigt hatten. Vertiefende Einblicke zum Thema Sabotage gibt der kürzlich veröffentlichte LfV-Homepagebeitrag „Sabotage durch fremde Mächte: Was bedeutet das für Baden-Württemberg?“.
Auch wenn die Lage ernst ist, sind die Institutionen und Verfahren bei Wahlen in Deutschland grundsätzlich gut gegen äußere Einflüsse geschützt. Die Gefahr schwerwiegender ausländischer Einflussnahme, wie sie etwa bei den letztjährigen Wahlen in Moldau und Rumänien festgestellt wurde, ist in Deutschland unwahrscheinlich. Das deutsche Verhältniswahlrecht und Mehrparteiensystem, hochformalisierte und unabhängige Kontrollen, aber auch die papierbasierte Auszählung der Stimmzettel und die Kurzfristigkeit des vorgezogenen Wahltermins verringern das Wirkpotenzial fremdstaatlicher Einflussnahme auf den Wahlausgang.
Anders als in Mehrheitswahlsystemen führt das deutsche Verhältniswahlrecht zu einer proportionalen Abbildung des Wählerwillens im Parlament. Nur dann, wenn Parteien nicht genügend Wählerstimmen erhalten, bleibt ihnen eine Repräsentation im Bundestag verwehrt. Dies wird zum Beispiel durch die Fünf-Prozent-Hürde geregelt. Der deutsche Wahlprozess ist von großer Transparenz gekennzeichnet. So können alle Bürgerinnen und Bürger – ohne Vorabregistrierung – am Wahltag der Auszählung in den Wahllokalen der insgesamt 299 Wahlkreise beiwohnen.
Warum will vor allem Russland die Wahlen beeinflussen?
Die Erfahrung der jüngsten Wahlen in den USA, Rumänien, Georgien und Moldau zeigen, dass von Russland die größte Gefahr für die demokratische Willensbildung ausgeht. Vor dem Hintergrund seines andauernden Angriffskriegs gegen die Ukraine ist Russland bestrebt, das westliche Bündnissystem sowie prowestliche Regierungen in Ost- und Mitteleuropa zu destabilisieren. Ziel der russischen Einflussnahme ist es, politische Akteure zu stärken, die große Übereinstimmung mit prorussischen Positionen haben. Zum Beispiel sollen Parteien gefördert werden, die den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine tolerieren und politische und militärische Unterstützung für die Ukraine einstellen wollen.
Ist Russland mit seinen Einflussnahmeoperationen erfolgreich?
Hierzu zwei aktuelle Beispiele:
- In Rumänien gewann der kaum bekannte prorussische Kandidat Calin Georgescu am 24. November 2024
überraschend den ersten Wahldurchgang der Präsidentschaftswahl mit 22,9 Prozent der Stimmen. Aufgrund einer massiven
Einflusskampagne in den sozialen Medien und Verstößen gegen Gesetze zur Kampagnenfinanzierung erklärte das rumänische
Verfassungsgericht die Wahl am 6. Dezember 2024 für nichtig und ordnete eine Wahlwiederholung an. Der rumänische Präsident
veröffentlichte in diesem Zusammenhang ursprünglich als geheim eingestufte Berichte der rumänischen Nachrichtendienste, die
eine koordinierte Einflusskampagne Russlands über TikTok beschreiben.
- Im Nachgang der Präsidentschaftswahl (20. Oktober 2024) in der Republik Moldau veröffentlichte der moldauische Nachrichtendienst SIS am 12. Dezember 2024 Erkenntnisse zu einem weitreichenden Einflussnetzwerk. Ziel dieses durch russische Nachrichtendienste gesteuerten Netzwerks sei es gewesen, durch Desinformation und hybride Maßnahmen den prorussischen Kandidaten zum Wahlsieg zu verhelfen. Beispielsweise wurden falsche Bombendrohungen gegen Auslandswahllokale festgestellt. Außerdem sollte, unter anderem durch Stimmenkauf, ein „Nein“ beim moldauischen Referendum über den perspektivischen Beitritt zur Europäischen Union erwirkt werden. Mit einer knappen Mehrheit stimmten die Moldauer für den EU-Betritt.
Ausblick: Wie können sich Bürgerinnen und Bürger in Baden-Württemberg vor Einflussnahme schützen?
Wirksamstes Mittel gegen Beeinflussungsversuche durch fremde Mächte ist eine politisch gut informierte Öffentlichkeit. Es ist entscheidend, dass sich Bürgerinnen und Bürger der Gefahren durch Desinformation bewusst sind und einen kritischen Blick entwickeln. Vor allem soziale Medien bergen das Risiko, einen einseitigen Blick auf Problemstellungen oder nicht unabhängig geprüfte Fakten zu liefern. Deshalb ist es unerlässlich, mehrere seriöse Informationsquellen zu nutzen und sich ausgewogen zu informieren.
In Ergänzung dazu leisten auch Faktencheck-Websites einen wertvollen Dienst für die Demokratie, indem sie Desinformation entlarven. Eine weitere schnelle Möglichkeit, zweifelhafte Informationen oberflächlich überprüfen zu lassen, besteht in der Nutzung frei verfügbarer KI-Chatbots. Dies kann eine erste Hilfestellung für Ratsuchende sein.
Grundsätzlich ist es wichtig, sich aus Primärquellen zu informieren. Das Wahlprogramm einer Partei beispielsweise findet man regelmäßig auf den jeweiligen Parteihomepages. Die Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg ist eine verlässliche Informationsquelle. Zu den Bundestagswahlen informieren auch das Innenministerium Baden-Württemberg und das Bundesamt für Verfassungsschutz.
Die Spionage- und Cyberabwehr des Landesamtes für Verfassungsschutz Baden-Württemberg (LfV) trägt zum Schutz der Bundestagswahl bei, indem sie gemeinsam mit anderen Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder das Agieren fremder Mächte aufklärt. Beobachten, informieren, schützen – der Leitspruch des LfV gilt auch hier.