ISLAMISMUS

IGMG würdigt Necmettin Erbakan und weitere Vorreiter der Organisation als Vorbilder

Auch mehr als zehn Jahre nach dem Tod des Politikers und „Milli Görüş“-Gründervaters Necmettin Erbakan hält die „Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e.V.“ (IGMG) mit Gedenkveranstaltungen die Erinnerung an seine Person und mit ihm verbundene Weggefährten lebendig. An dem Veranstaltungsformat „Önden Gidenler“ („Die Vorangegangenen“) zeigte sich anlässlich des 13. Todestages Erbakans ein weiteres Mal der ungebrochene Respekt und die hohe Anerkennung, die dieser nach wie vor genießt. Diese Haltung ist im gesamten Spektrum der Organisation festzustellen – ob bei der Führungsspitze oder den Mitgliedern an der Basis.

Gehuldigt wurde auch bei den diesjährigen Veranstaltungen der Vorbildfunktion Erbakans und der „Altvorderen“ sowie dem Einsatz für die von ihnen vertretene „Mission“ („dava“). Besonders berücksichtigt wurden in diesem Jahr diejenigen Weggefährten Erbakans, die zu den Pionieren der Gründungsphase von „Milli Görüs“ in Deutschland zählen, unter anderem Yusuf Zeynel Abidin, Sefer Ahmedoǧlu, Hasan Damar und Akgün Erbakan. Sie wurden auf dem Einladungsflyer zu den Veranstaltungen namentlich genannt. Damit weist die Organisation eine ideelle Kontinuität auf, die sich immer wieder neu der Pionierleistungen der einstigen „Avantgarde” rühmt und von den Anfängen vor mehr als fünf Jahrzehnten bis in die Gegenwart bewahrt bleibt.

Posting der IGMG
Einladung zur Gedenkveranstaltung „Önden Gidenler“ am 25. Februar 2024 in Esslingen mit Teilnahme des IGMG-Generalsekretärs Ali METE und des Vorsitzenden des IGMG-Regionalverbands Württemberg, M. Tayyip SAYAN.

An den zahlreichen muttersprachlichen Treuebekundungen von Anhängern in den sozialen Netzwerken anlässlich des Jubiläumsgedenkens zeigt sich auch aktuell eine umfassende und uneingeschränkte Wertschätzung des Vermächtnisses Necmettin Erbakans. Dabei scheint dieser als Person wie als Politiker über jegliche Kritik erhaben, beziehen sich die posthumen Reverenzen doch auf sein Lebenswerk als Ganzes. Zentrale Punkte, an denen sich gesellschaftspolitische Debatten um die IGMG immer wieder neu entzünden, bleiben insbesondere die antisemitischen Narrative, aber auch die antiwestlichen und antipluralistischen Komponenten, mit denen das Gesamtwerk Erbakans durchzogen ist. Eine eindeutige Positionierung der IGMG-Führung insbesondere hinsichtlich des Antisemitismus, die über relativierende Äußerungen hinausginge, ist bis heute nicht erfolgt. 

Beständige Treue, anhaltende Gefolgschaft 

Betrachtet man stattdessen die Respektsbekundungen der Führungsebene der IGMG, der Regionalverbände und Ortsvereine sowie von Einzelpersonen bezüglich der Person Erbakan, so zeigt sich eine anhaltende Glorifizierung und bereitwillige Gefolgschaft. Erbakan wird gar als Persönlichkeit mit Anspruch und Auftrag der Erfüllung eines Heilsversprechens für die gesamte Menschheit adressiert, wie dies in einem Post des IGMG-Vorsitzenden Kemal ERGÜN vom 27. Februar 2024 zum Ausdruck kam: „Anlässlich seines Todestages gedenke ich Prof. Dr. Necmettin Erbakans, der sein Leben lang für das Ziel des Heils der gesamten Menschheit mit Eifer und Entschlossenheit tätig war“. Diese Würdigung wurde von vielen Regionalverbänden wie auch von einzelnen Funktionären in den sozialen Netzwerken geteilt. Die Aussage impliziert, dass „Heil” für alle Menschen einzig über den Weg des Islam zu erlangen ist und Erbakan zufolge mittels des Islams sämtliche „nichtigen Systeme” letztlich überwunden werden sollen.

Mit drei großen Präsenzveranstaltungen gedachten in Baden-Württemberg die IGMG-Regionalverbände Württemberg, Schwaben und Freiburg-Donau jeweils am 25. Februar 2024 in ihren Regionalzentralen in Esslingen, Ulm und Villingen der „Vorangegangenen“. Bei sämtlichen dieser Veranstaltungen traten neben den jeweiligen Regionalverbandsvorsitzenden auch Gastreferenten aus der Zentrale in Köln auf: bei der Gedenkveranstaltung in Esslingen war beispielsweise IGMG-Generalsekretär Ali METE zugegen. „Önden Gidenler”-Veranstaltungen wurden zudem in den Regionalverbänden der IGMG im gesamten Bundesgebiet wie auch außerhalb Deutschlands durchgeführt.

Aufarbeitung der Positionen des Vordenkers findet nicht statt

Das Jubiläumsgedenken hat somit auch in diesem Jahr gezeigt, in welchem Maß sich die Weltsicht des „Milli Görüs“-Gründers in heutigen Meinungsäußerungen seiner Gefolgschaft widerspiegelt: Die Übernahme und Weiterführung der „Mission“ des „Hodscha“ Erbakan und seiner politischen Leitgedanken bleibt folglich die Konstante in der konzeptionellen Ausrichtung der IGMG. Eine angebliche Aufarbeitung insbesondere der antisemitischen Positionen des Vordenkers fand und findet öffentlich nicht statt. Dagegen werden Äußerungen oder Aktionen mit antisemitischen Bezügen, die insbesondere auf den deutschen Rechtsextremismus verweisen, von der IGMG rasch und regelmäßig medial aufgegriffen. Insgesamt bleibt festzuhalten, dass die Organisation, je nachdem, ob sie die interne Bezugsgruppe oder die externe Öffentlichkeit adressiert, imstande ist, flexibel auf die jeweilige Erwartungshaltung einzugehen. Damit genügt sie jedoch nicht dem Anspruch, klare und nachvollziehbare Positionen einzunehmen. Der Öffentlichkeit wie auch den Sicherheitsbehörden macht sie es damit zur Aufgabe, ihre Aktivitäten auch künftig wachsam zu begleiten.

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