Auslandsbezogener Extremismus

Das propalästinensische Protestgeschehen als Nährboden für antisemitische Positionen

Seit dem Angriff der islamistischen Terrororganisation HAMAS vom 7. Oktober 2023 kommt es bundesweit vermehrt zu proisraelischen und propalästinensischen Protesten. In Baden-Württemberg nutzten auch säkulare extremistische Bestrebungen aus dem propalästinensischen Spektrum die Entwicklungen im Nahen Osten, um Veranstaltungen zu organisieren und für diese zu mobilisieren. Im Zuge dessen kam und kommt es zur Verbreitung eindeutig antisemitischer Inhalte: Israel und seine Bürger werden unter anderem dämonisiert, delegitimiert und herabgewürdigt.

Im propalästinensischen Protestgeschehen bilden Extremisten unter den Teilnehmenden zwar die Minderheit, bei der Mobilisierung, Organisation und Durchführung der Veranstaltungen wirken sie jedoch häufig als treibende Kraft. Durch zum Teil hetzerische Symbole, Äußerungen und Propaganda beeinflussen sie das Bild einiger Demonstrationen, was zur Emotionalisierung und Radikalisierung der übrigen Anwesenden beitragen kann. Zudem wurden und werden bekannte antisemitische Narrative verwendet. So behauptete ein Redner bei einer propalästinensischen Veranstaltung am 2. Februar 2024 in Freiburg: „Israel ist der einzige Staat auf der ganzen Welt, der systematisch Kinder in Haft nimmt und foltert“.

Organisiert wurde die Veranstaltung von „Palästina Spricht“. Die gebietlichen Teilorganisationen von „Palästina Spricht“ in Stuttgart und Freiburg sowie das „Palästinakomitee Stuttgart“ e.V. (PAKO) werden vom Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg (LfV) als säkulare extremistische propalästinensische Bestrebung eingestuft. Aktivitäten ihrer Mitglieder, die unter anderem das Existenzrecht Israels leugnen, richten sich gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung sowie den Gedanken der Völkerverständigung. Daher beobachtet das LfV die Teilorganisationen von „Palästina Spricht“ in Stuttgart und Freiburg sowie das PAKO inzwischen als Verdachtsfall.

Demonstrationen mit bis zu tausenden Teilnehmenden

Bei propalästinensischen Demonstrationen in Baden-Württemberg erschienen teilweise über tausend Menschen. Eine Großdemonstration am 24. Februar 2024 in Mannheim, die von „Palästina Spricht Freiburg“ und „Palästina Spricht Stuttgart“ beworben wurde, zählte gar knapp 1.500 Teilnehmende. Dort skandierten mehrere den Ausruf „Stoppt die Besatzung, stoppt den Mord“. Der Staat Israel wird hier dämonisiert [1], indem die militärischen Handlungen des Staates pauschal nicht als Akt der Selbstverteidigung, sondern grundsätzlich als vorsätzliches Tötungsdelikt dargestellt werden. Häufig war bei Protesten auch die umstrittene Formulierung „From the river to the sea, Palestine will be free“ zu hören, wie bei einer Demonstration von „Palästina Spricht“ in Stuttgart am 6. Juli 2024. Damit wird die Forderung nach einem unabhängigen palästinensischen Staat vom Fluss Jordan bis zum Mittelmeer erklärt, sodass für den Staat Israel in seinen heutigen Grenzen kein Platz mehr wäre. Folglich wird Israel das Existenzrecht aberkannt.

Als Anlass für Demonstrationen dienen oft aktuelle Entwicklungen. Im Vorfeld des Jahrestages der Angriffe der HAMAS am 7. Oktober 2024 organisierte „Palästina Spricht Stuttgart“ eine Demonstration in Stuttgart. Am 6. Oktober 2024 kamen so rund 350 Personen zusammen. Dort gezeigte Plakate forderten den Stopp des vermeintlichen Genozids und „des Mordens“. Einen Tag später nahmen an einer Demonstration des PAKO, ebenfalls in Stuttgart, rund 200 Menschen teil. Diese wurde gemeinsam mit der linksextremistischen Gruppierung „Offenes Treffen gegen Krieg und Militarisierung“ (OTKM) organisiert. Auf einem Plakat wurden einige Bundespolitiker für die vermeintlich ethnische Säuberung an den Palästinensern mitverantwortlich gemacht. 

OTKM-Instagram-Beitrag
Instagram-Beitrag des OTKM Stuttgart zur Demonstration am 7. Oktober, mit dem beschriebenen Plakat. Die Hände der Politiker sind symbolisch blutrot gefärbt und sollen vermitteln, dass diese vermeintlich „Blut an den Händen“ hätten.

Die Gruppierungen und ihre extremistischen Narrative

Vereinendes Ziel der oben genannten extremistischen Gruppierungen ist ein Palästinensischer Staat im historischen Cisjordanien (Westjordanland). Neben den palästinensischen Autonomiegebieten umfasst dies auch die Gebiete des heutigen Staates Israel. Bei den Protesten wird zudem ein Narrativ verbreitet, das Israel als alleinigen Urheber des Konflikts dämonisiert und die Taten der HAMAS als Akt des Widerstandes porträtiert. „Palästina Spricht“ Freiburg und Stuttgart veröffentlichten zum Jahrestag des 7. Oktober 2024 ein Statement auf Instagram in dem es heißt: 

„Der von der zionistischen Entität verübte Genozid ist einerseits eine direkte Reaktion auf die Demütigung, die sie erlitt, als Gaza seine Ketten sprengte und andererseits aus Angst, dass die Hoffnung auf Befreiung geweckt wurde.“

„Palästina spricht“ wurde 2019 als Folge des Bundestagsantrags „Der BDS-Bewegung entschlossen entgegentreten – Antisemitismus bekämpfen“ in Berlin gegründet [2]. Bei „Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen“ (BDS) handelt es sich um eine Bewegung mit israelfeindlichen Positionen. „Palästina Spricht“ möchte laut Website unter anderem die „illegale Besatzung Palästinas durch den Staat Israels sowie dessen Apartheid-System beenden“.

Das Logo von „Palästina Spricht“.
Das Logo von „Palästina Spricht“.

Die Gründung des PAKO als eingetragener Verein mit Sitz in Stuttgart erfolgte laut eigenen Angaben im Jahr 1982 als Reaktion auf den israelischen Einmarsch in den Libanon. Das Emblem des PAKO ist in den Farben der palästinensischen Flagge gehalten. Im Buchstaben „O“ ist die Form des historischen Cisjordaniens abgebildet, was die Gebiete des heutigen Staates Israel und der Palästinensischen Autonomiegebiete umfasst.

Das Logo des „Palästinakomitee Stuttgart“ e.V.
Das Logo des „Palästinakomitee Stuttgart“ e.V.

Bewertung 

Im vorliegenden Protestgeschehen tauchen zunehmend antisemitische Positionen und Propaganda auf, die vor allem von säkularen extremistischen propalästinensischen Bestrebungen ausgehen. Sie nutzen dabei die Lage im Nahen Osten, um gegenüber den häufig stark emotionalisierten Teilnehmenden mitunter extremistische Inhalte zu platzieren. Dies kann zu Radikalisierung beitragen, wie aktuelle Zahlen der Bundesregierung nahelegen: Zwischen dem 1. Januar und dem 30. September 2024 wurden bundesweit 3.931 Straftaten mit Bezug zu dem Konflikt gezählt, wovon mit 1.536 mehr als ein Drittel als antisemitisch eingestuft wurden. [3]

Es ist auch in Zukunft damit zu rechnen, dass säkulare extremistische Bestrebungen aus dem propalästinensischen Spektrum antisemitische Positionen vertreten. Das Protestgeschehen rund um die Entwicklungen im Nahen Osten dient ihnen dabei als Instrument, mit dem sie versuchen, Anschluss an die Gesellschaft zu finden und mehr Menschen zu mobilisieren.


[1] Die Dämonisierung Israels ist neben der Delegitimierung und der Anwendung von Doppelstandards entlang der sogenannten 3D-Regel ein Merkmal, anhand dessen sich bestimmen lässt, ob eine Äußerung noch Kritik an Israels Politik oder antisemitisch ist. Die 3D-Regel wird vom Beauftragten der Bundesregierung für jüdisches Leben und den Kampf gegen Antisemitismus empfohlen. zurück

[2] Bundestagsdrucksache 19/10191. https://dserver.bundestag.de/btd/19/101/1910191.pdf. Abrufdatum: 15.11.2024. zurück

[3] Bundestagsdrucksache 20/13709. https://dserver.bundestag.de/btd/20/137/2013709.pdf. Abrufdatum: 15.11.2024. zurück

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