Rechtsextremismus

Alte Ideologie in jungen Köpfen - 
Rechtsextremistische Jugendorganisationen in Baden-Württemberg

Im Sommer 2024 haben sich in Baden-Württemberg gleich zwei neue rechtsextremistische Jugendgruppierungen gegründet: „Unitas Germanica“ und der Stützpunkt „Baden-Württemberg“ der „Nationalrevolutionären Jugend“. Immer mehr Jugendliche und junge Erwachsene schließen sich rechtsextremistischen Parteien und Personenzusammenschlüssen an oder sympathisieren mit ihnen. Die Extremisten verfangen mit ihren Themen und Kommunikationsstrategien – und werben erfolgreich junge Menschen an.

NRJ-Stützpunkt „Baden-Württemberg“

Die „Nationalrevolutionäre Jugend“ (NRJ) ist die Jugendorganisation der rechtsextremistischen Kleinpartei „DER DRITTE WEG“ („Der III. Weg“). Wie die Mutterpartei untergliedert sich die NRJ bundesweit in regionale Stützpunkte. Seit Mitte Juni existiert der NRJ-Stützpunkt „Baden-Württemberg“. Die Organisation schrieb am 29. Juni 2024 auf ihrer Website: „Die Gründung fußt auf einer anhaltend guten Interessentenlage bei unter 25-Jährigen. In den vergangenen 24 Monaten konnten daher auch vermehrt junge Deutsche den Weg in unsere Bewegung finden.“[1]

Die NRJ hat sich in Baden-Württemberg zwischenzeitlich aktivistisch betätigt. So waren Anhänger am 6. September 2024 bei einer Gegenkundgebung zum „Christopher Street Day“ (CSD) in Albstadt präsent. An der Veranstaltung beteiligten sie sich nach eigener Aussage „[z]um Schutze der deutschen Familie und der Volksgesundheit“. [2] Zu der Kundgebung unter dem Motto „Nein zum Genderwahnsinn! Kinder & Zukunft schützen!“ hatten der baden-württembergische Landesverband von „Die Heimat“, die JN und die ihr nahestehende rechtsextremistische Gruppierung „Zollern-Jugend Aktiv“ aufgerufen. Laut eigenen Angaben nahmen auch Anhänger von „Unitas Germanica“ an der Veranstaltung teil.

Interessant ist das Selbstbild der NRJ auf Bundesebene, das aus einem Website-Beitrag vom 21. September 2024 hervorgeht. Sie schrieb dort, dass ein Kampf gegen den drohenden „Untergang der europäischen Völker“ [3] geführt werden müsse. Das europäische Zusammenleben sei bedroht durch „LGBTQ-Propaganda, Masseneinwanderung, Verdummung, Ausländergewalt, Verfettung und nicht zuletzt Krieg“. [4] Im Umkehrschluss dazu inszeniert sich die NRJ als starke gesunde deutsche Jugend, deren Lebensentwurf ein erstrebenswerter Gegenpol zur verkommenden Gesellschaft sei.

Logo von
Logo der Partei „DER DRITTE WEG“ – Mutterpartei der NRJ

„Unitas Germanica“

„Unitas Germanica“ begann als virtueller Personenzusammenschluss, tritt mittlerweile aber auch realweltlich auf. Die Gruppierung positioniert sich gegen bekannte rechtsextremistische Feindbilder wie (vermeintliche) Ausländer, den Islam oder die „Antifaschistische Aktion“. „Unitas Germanica“ attackiert insbesondere die LGBTQIA+-Community scharf. Wie erwähnt beteiligten sich einige Anhänger neben anderen rechtsextremistischen Gruppierungen im September 2024 an der Gegenkundgebung zum CSD in Albstadt. 

Am 8. Oktober störten Anhänger von „Unitas Germanica“ das „Offene Antifaschistische Treffen Rems-Murr“ (OAT RM). Sie machten Foto- und Videoaufnahmen, die sie anschließend auf Instagram veröffentlichten. Die Aktion verdeutlicht, dass „Unitas Germanica“ bereit ist, die Konfrontation mit dem politischen Gegner zu suchen.

Die Gruppierung gibt an, im ganzen Bundesland aktiv zu sein. Im Internet ist „Unitas Germanica“ auf TikTok und Instagram präsent. Hier vergrößerte sich die Gruppe schnell: Ende Juli 2024 wies ihr Instagram-Konto noch eine Follower-Anzahl im mittleren zweistelligen Bereich auf. Circa zwei Monate später, Ende September 2024, folgten bereits rund 1.700 Accounts. Seither bewegen sich die Follower-Zahlen auf etwa diesem Niveau.

Logo von
Logo von „Unitas Germanica“

Selbstdarstellung von rechtsextremistischen Jugendgruppierungen

Die Bandbreite rechtsextremistischer Jugendorganisationen in Baden-Württemberg ist groß: Im Parteienspektrum existieren neben der NRJ die „Jungen Nationalisten“ (JN, Jugendorganisation der Partei „Die Heimat“) und die „Junge Alternative“ (JA, Jugendorganisation der „Alternativen für Deutschland“; AfD und JA werden durch das Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg als Verdachtsfälle beobachtet). Im parteiungebundenen Spektrum ist in Baden-Württemberg neben „Unitas Germanica“ „Reconquista 21“ (R21) sehr aktiv. R21 ist der hiesige regionale Ableger der „Identitären Bewegung Deutschland“. Die Erstkontakte in die Szene und die Rekrutierung finden mittlerweile vor allen Dingen online statt – auch wenn familiäre Prägungen und einschlägige Kontakte im Freundes- und Bekanntenkreis nach wie vor eine Rolle spielen.

Die genannten Akteure unterscheiden sich in ihrer jeweiligen Struktur und in ihren Aktionsformen. Doch es gelingt allen, mit den von ihnen gesetzten Themen und ihren Aktivitäten Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Über zielgruppengerechte und moderne Auftritte in den sozialen Medien verbreiten sie ihre Inhalte mit hoher Reichweite.

Seit geraumer Zeit sind insbesondere die beiden Themen Anti-LGBTQIA+ und „Remigration“ ideologische Dreh- und Angelpunkte. Die Extremisten stilisieren Zugewanderte, Geflüchtete, queere Personen und ihre Unterstützer zu Feinden, die das „deutsche Volk in seiner Substanz“ und traditionelle Familien nach und nach verdrängen würden. Dem setzen die Gruppierungen ihre Identität als „starke gesunde deutsche Jugend“ entgegen und rufen zum Widerstand auf. Das Beispiel um den CSD in Albstadt unter Beteiligung mehrerer rechtsextremistischer Personenzusammenschlüsse zeigt außerdem, dass untereinander Vernetzungen bestehen und die Gruppierungen im Schulterschluss wirkmächtiger auftreten können.

Des Weiteren erregen Rechtsextremisten mit verschiedensten Aktivitäten Aufsehen. Dazu zählen Freizeitbeschäftigungen wie Wanderungen, Stammtische und Kampfsporttrainings. Der politische Aktivismus in Form von Demonstrationen, Kundgebungen oder sonstigen öffentlichkeitswirksamen Aktionen nimmt einen besonderen Stellenwert ein.

Ausblick

Im Rechtsextremismus ist kein Rückgang in der Rekrutierung von jungen Menschen absehbar. Die Organisationen wirken auf Jugendliche und junge Erwachsene erfolgreich ein: Sie vermitteln ihnen Sinnhaftigkeit, ein Gemeinschafts- und Zugehörigkeitsgefühl und locken mit dem Ausblick auf gemeinsame, abenteuerliche Erlebnisse. Es ist außerdem davon auszugehen, dass die rechtsextremistischen Gruppierungen weiterhin das (tages-)politische Geschehen nutzen, um junge Menschen zu emotionalisieren und zu polarisieren – allen voran entlang der Themen Migration/„Remigration“ und Anti-LGBTQIA+. Es besteht die Gefahr, dass die Akteure, unterstützt durch die enorme Reichweite der sozialen Medien, ihre ideologischen Positionen immer tiefer im öffentlichen Diskurs verankern.

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[1] DER DRITTE WEG (2024): NRJ-Stützpunktgründung in Baden-Württemberg. Ohne Ort, 29.06.2024. URL: https://der-dritte-weg.info/2024/06/nrj-stuetzpunktgruendung-in-baden-wuerttemberg/. [letzter Abruf: 04.12.2024]. [zurück]
[2] DER DRITTE WEG (2024): Beteiligung der NRJ bei Gegendemonstration anlässlich des CSD in Albstadt. Ohne Ort, 20.09.2024. URL: https://der-dritte-weg.info/2024/09/beteiligung-der-nrj-bei-gegendemonstration-anlaesslich-des-csd-in-albstadt/. [letzter Abruf: 06.12.2024]. [zurück]
[3] DER DRITTE WEG (2024): Der Kampf der Jugend. Ohne Ort, 21.09.2024. URL: https://der -dritte-weg-info/2024/09/der-kampf-der-jugend/. [letzter Abruf: 06.12.2024]. [zurück]
[4] Ebd. [zurück]

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