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Rechtsextremismus, Reichsbürger, Delegitimierung

Mehr junge Rechtsextremisten, mehr ältere Reichsbürgerinnen – ein Blick auf die Zusammensetzung extremistischer Szenen in Baden-Württemberg

Regelmäßig analysiert das Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg (LfV) die Zusammensetzung extremistischer Szenen im Land. Der vorliegende Beitrag untersucht vor diesem Hintergrund die Alters- und Geschlechterverteilung in den Arbeitsbereichen Rechtsextremismus, „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ sowie im Spektrum der „Verfassungsschutzrelevanten Delegitimierung des Staates“. Durch den vergleichenden Blick auf diese drei Bereiche können Unterschiede und Gemeinsamkeiten identifiziert werden, auch im Zeitverlauf. Bemerkenswert sind aktuell zwei Punkte: Im Vergleich zu den Vorjahren gibt es anteilig mehr Rechtsextremisten in jüngeren Altersgruppen. Außerdem ist im „Reichsbürger“-Milieu der Frauenanteil gestiegen.

Hintergrund

Das Personenpotenzial im Bereich Rechtsextremismus beträgt nach Abzug von Mehrfachmitgliedschaften ca. 2.460 Personen [1]. Dem Milieu der „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ gehören landesweit rund 4.000 Personen an [2]. Erkenntnissen des LfV zufolge vertreten mindestens drei Prozent von ihnen zugleich rechtsextremistische Positionen. Hinsichtlich des heterogenen Spektrums der „Verfassungsschutzrelevanten Delegitimierung des Staates“ geht das LfV von einem Personenpotenzial von ca. 400 Personen aus [3].

Die dieser Veröffentlichung zugrunde liegende Auswertung wurde Ende Januar 2025 durchgeführt, ihre Ergebnisse sind daher als Momentaufnahme zu verstehen. 

Übersicht über die Altersstruktur

Hinsichtlich der Altersstruktur unterscheidet sich der Rechtsextremismus deutlich von den beiden anderen untersuchten Szenen. Während unter „Reichsbürgern“ und „Staatsdelegitimierern“ die Altersgruppe der 50- bis 59-Jährigen am stärksten vertreten ist, sind die meisten Rechtsextremisten zwischen 30 und 39 Jahre alt. Anteilig sind deutlich mehr Angehörige der rechtsextremistischen Szene unter 30 Jahre bzw. sogar unter 20 Jahre alt. 

Altersstruktur nach Extremismusbereichen

Veränderungen der Altersstruktur

Im Rechtsextremismus wuchs der Anteil der Angehörigen der Altersgruppen bis 30 Jahre im Vergleich zu den Vorjahren merklich an. Das ist eine neue Entwicklung – in den letzten Jahren waren die Anteile der Altersgruppen unter 30 Jahren durchgehend gesunken. Kontinuität zeigt sich hingegen in einem weiter schrumpfenden Anteil der Rechtsextremisten zwischen 30 und 39 Jahren sowie einem moderaten Anstieg von Szeneangehörigen zwischen 40 und 79 Jahren. Diese Dynamik bildet vermutlich zweierlei Entwicklungen ab: Einerseits verbleiben langjährige Szeneangehörige im Rechtextremismus und altern immer weiter – andererseits kamen viele neue junge Rechtsextremisten hinzu, die nun die jungen Altersgruppen anteilig wachsen lassen.

Die Altersstruktur unter „Reichsbürgern“ und „Selbstverwaltern“ hat sich zwischen 2023 und 2025 nach voriger weitestgehender Stabilität ebenfalls etwas gewandelt: Die Szene ist insgesamt älter geworden. So gingen die Anteile der 30- bis 39-Jährigen, der 40- bis 49-Jährigen und der 50- bis 59-Jährigen etwas zurück, wohingegen die Altersgruppe der 60- bis 69-Jährigen wuchs. Auch die 70- bis 79-Jährigen sind nun mit einem etwas größeren Anteil vertreten.

Im Spektrum der „Verfassungsschutzrelevanten Delegitimierung des Staates“ blieb die Altersgruppe der 50- bis 59-Jährigen die größte, wie es schon Anfang 2023 der Fall gewesen war. Beträchtliche Veränderungen ergaben sich jedoch in den angrenzenden Altersgruppen: So sank der Anteil der 40- bis 49-Jährigen deutlich, während der Anteil der 60- bis 69-Jährigen gleichermaßen wuchs. Die Szene ist demzufolge ebenfalls etwas gealtert. Der Anteil der unter 30-Jährigen ist außerdem noch geringer als im Milieu der „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“.

Geschlechterverteilung

Blickt man auf alle drei Extremismusbereiche gemeinsam, hat sich der Frauenanteil im Vergleich zum Jahr 2023 erhöht. Waren es im Jahr 2023 noch ca. 70% Männer und 30% Frauen in diesen drei Szenen, sind es aktuell ca. 68% Männer und 32% Frauen. Diese Entwicklung lässt sich auf den Anstieg des Frauenanteils im Bereich der „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ von 36% im Jahr 2023 auf nun rund 40% zurückführen, wohingegen er im Rechtsextremismus sogar um zwei Prozentpunkte zurückging. Im „Delegitimierungsspektrum“ beträgt der Frauenanteil rund 19%, ein für viele extremistische Phänomenbereiche typischer Wert.

Geschlechterverteilung nach Phänomenbereichen

Die Betrachtung der Geschlechterverteilung in den verschiedenen Altersgruppen der untersuchten Extremismusbereiche zeigt, dass sich die Anteile in den letzten Jahren etwas verschoben haben. Waren im Jahr 2022 unter den 10- bis 19-Jährigen noch rund 23% Frauen, sind es aktuell nur noch 14%. Das dürfte sich durch den Anstieg der Zahl junger, vorwiegend männlicher Rechtsextremisten erklären. Dass in den höheren Altersgruppen (Personen zwischen 50 und 79 Jahren) nun auch anteilig deutlich mehr Frauen zu finden sind, lässt sich vermutlich auf den gestiegenen Frauenanteil in der Reichsbürger-Szene zurückführen, deren Mitglieder häufig lebensälter sind.

Fazit

Selbstverständlich unterscheiden sich die drei hier betrachteten Extremismusbereiche in ihrer ideologischen und strategischen Ausrichtung ungemein. Dass es daneben aber auch große Unterschiede hinsichtlich der Alters- und Geschlechterstruktur zwischen den Szenen gibt, zeigt die hier vorgenommene Aufstellung. Auch der Vergleich der aktuellen Zahlen mit denen der Vorjahre ist aufschlussreich, da sich neue Entwicklungen abzeichnen, wie der wachsende Anteil junger Rechtsextremisten, älter werdende „Reichsbürger“ und „Staatsdelegitimierer“ sowie ein hoher Frauenanteil im Milieu der „Reichsbürger“. 


Fußnoten

[1], [2], [3] Vgl. Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2023 [zurück]